Sonntagsgedanke, 17.03.2025

Passionszeit ist Gottes Zeitenwende

Menschliches Leiden hat es immer schon gegeben: In Armen- und Siechenhäusern, auf den Kriegsschauplätzen dieser Welt, wo so viel hoffnungsvolles Leben geopfert wurde und in der Heimat, wenn der Brief mit der Todesnachricht kam und für die Mutter, die Schwestern, die Verlobte mit dem geliebten Menschen auch die Hoffnung auf Zukunft gefallen ist. Ganz abgesehen von den Versehrten und Kriegstraumatisierten, Menschen auf der Flucht und Heimatvertriebenen nach politischen Zeitenwenden. Menschliches Leiden gibt es auch im zivilen Leben, jenseits von Krieg und Katastrophen, wenn wir den Ehemann, den Freund, den Kollegen nach einer plötzlichen gesundheitlichen Krise viel zu früh verlieren und den Schmerz spüren. Wir vermissen den Toten, der uns nahestand, wir begreifen die Endgültigkeit des Abschieds erst nach und nach. Unsere Schritte werden schleppend und die Gedanken gehen im Kreis.

Die Passionszeit ist darum so zentral, weil sie zeigt, dass sich Gott dem Leiden hingibt, vollständig und mit ganzem Herzen. In Jesus von Nazareth leidet er mit allen, die Leid tragen. Jesu Tod am Kreuz werden wir vielleicht nie vollständig verstehen können. Aber so viel begreife ich: Das Kreuz in unseren Kirchen will nicht das Leiden verherrlichen. Das Kreuz zeigt Gottes Leidenschaft für das Leben. Jesus ist brutal ermordet worden von der römischen Besatzungsmacht. Jesu Tod ist die Konsequenz seines Lebens. Wer sagt: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“ ist nicht beherrschbar. Jesus ist nicht ans Kreuz gegangen, weil er den Tod so liebte. Er ist ans Kreuz gegangen, weil er das Leben liebte, weil kein Mensch mehr verlassen sein soll. Bis in seinen Tod ist Jesus dabeigeblieben, dass Gott jedem Menschen nahe ist, der leidet. Das ist Gottes Zeitenwende. Der Tod wird nicht das letzte Wort behalten, sondern das Leben.

So erfahren es die ersten Christen, als sie an Ostern den auferstandenen Jesus sehen. Als ihnen ein Stein vom Herzen fällt. Als sie aufwachen aus Lähmung und Furcht und anfangen zu erzählen, zu singen, zu tanzen. Da wissen sie: Was auch immer in meinem Leben geschieht, wenn ich durch tiefe Täler gehen muss: Gott ist bei mir und verlässt mich nicht. Darauf kann ich mich verlassen im Leben und im Sterben. Ich möchte auf Gottes Zeitenwende setzen. Ich möchte darauf vertrauen, dass Gott keinen Menschen dieser Welt allein lassen wird. Keine Träne wird vergessen sein, sondern aufbewahrt bei Gott. Nichts von unserem Schmerz, unseren Enttäuschungen, unserem Leid wird abgetan oder übersehen, sondern ist geborgen bei Gott. Die Zeitenwende bringt aber auch den Wandel, dass es wieder hell werden kann und licht in meinem Leben, dass es Menschen gibt, die mir beistehen in meinem Leid und dass wir alle miteinander teilhaben an dem geheimnisvollen Prozess von Gottes Zeitenwende, vom Dunkel zum Licht, von der Passion zu Ostern.

Iris Carina Kettinger
Pfarrerin in der Auferstehungskirchengemeinde Heidenheim

Sonntagsgedanke, 03.03.2024

„Komm rüber“!, so das Motto der diesjährigen Fastenaktion SIEBEN WOCHEN OHNE. Und die Sonntagsfrage für heute lädt uns ein nachzudenken: „Zu wem könnten wir mal rübergehen?“ Na, so schwierig wird die Antwort ja nicht sein. Einen kleinen Plausch mit meiner lieben Nachbarin, meinem lieben Nachbarn. Vielleicht mit etwas Hand anlegen im Garten, weil es dem älteren Nachbarn in der Straße nicht mehr ganz so leicht fällt. Vielleicht auch ein paar Straßen weiter zu meiner besten Freundin, denn wir haben uns doch schon eine ganze Woche nicht mehr gesehen.
Also: Frage beantwortet. Und wie ist es mit denjenigen, denen ich doch am liebsten aus dem Weg gehe, die mir meine Zeit stellen, mich zutexten und etwas nerven? Zugegeben, das ist nicht einfach. Ich kann mich darin nicht rühmen Meister zu sein. Und doch will ich mich mühen. Wer weiß, welche schönen Überraschungen ich erlebe, wenn ich über meinen eigenen Schatten springe und wie mir der oder die andere überraschend begegnet.
Wenn nicht ich, so war doch Jesus solch ein Meister. Wer nicht gesehen wurde, den hat Jesus gesehen. Wer nicht angesprochen wurde, dem galten die freundlichen und ermutigenden Worte Jesu. Wer draußen vor der Tür stand, weil er oder sie einfach nicht zu den anderen passte und dazugehören durfte, den holte Jesus herein und gab er oder ihm Heimatrecht, einen Platz bei Gott unter seinem Himmel, unter dem wir alle stehen und unseren Platz haben. Was fällt mir nur ein, andere stehen zu lassen, einen Bogen um sie zu drehen und ihnen den Platz streitig zu machen!?
Ich bin nicht so wie Jesus. Das soll jedoch keine Entschuldigung sein, mich von seiner Menschenliebe anstecken zu lassen. Was mir dabei immer wieder helfen könnte wäre der Name des heutigen Sonntags: Okuli – meine Augen sehen stehts auf den Herrn. Eine gute Orientierung. Und wenn Sie nicht auf den Herrn blicken wollen, dann haben Sie vielleicht einen Menschen vor den Augen, der oder die Ihnen zum großen Vorbild und Motivation werden könnte. Zu wem könnte ich mal rübergehen? Wer braucht mich, einen Menschen? Erfahrungen, die Sie dabei selbst reich machen wünsche ich.

Ulrich Abele – Geschäftsführer der Evangelischen Erwachsenenbildung

Sonntagsgedanke, 18.02.2024

Seit wenigen Tagen sind wir zurückgekehrt aus der 5. Jahreszeit.

Büttenreden und Umzüge sind vorbei, stattdessen wurden am politischen Aschermittwoch noch einmal alle Register gezogen, um den politischen Gegner niederzumachen. In meinen Augen ist das Jahr für Jahr auch eine Form von Fasching. Und dies in einer Zeit, wo wir wahrlich dringend nötig hätten, dass demokratisch gesinnte politischen Kräfte über alle vorhandenen Unterschiede hinwegsehen und konstruktiv zusammenarbeiten, um die riesigen ungelösten Aufgaben anzupacken.

Früher nannte man das Regierungsarbeit. Und sicher gibt es auch in den Kreisen von Politikerinnen und Politikern manche, die diese wichtige Aufgabe immer noch sehr ernstnehmen. Es wäre jedoch gut, wenn das für „Otto Normalverbraucher“ und „Emma Normalverbraucherin“ deutlicher und häufiger sichtbar würde.

Für Christen beginnt mit dem Aschermittwoch eine Zeit, in der sich ausdrücklich die Gelegenheit bietet, innezuhalten, sich zu besinnen, dann  - wo nötig – umzukehren und einen anderen, einen besseren Weg (wieder) einzuschlagen.

Fastenzeit meint ja nicht, sich selbst zu quälen – gar als Bußleistung für jene, die während der tollen Tage über die Stränge geschlagen haben -, sondern Fasten ist gedacht als die eigene Entscheidung, für eine bestimmte Zeit wegzulassen, was mich ablenkt oder hindert, was mich sonst vielleicht sogar gefangen nimmt.

Fasten kann eine Befreiung sein für Wichtiges, das im Alltag eher untergeht.

In diesen Wochen bis Ostern richten Christen ihre innere Aufmerksamkeit auf den Weg, der für Jesus unsäglich schwer wurde. Passion heißt die kirchliche Bezeichnung dafür. Vielleicht könnte das tröstlich sein für alle, die auch schwere Wege zu gehen haben in diesen Zeiten. Vielleicht könnte das aber auch als störend empfunden werden für alle, denen es gut geht und die das Leben in vollen Zügen genießen. So oder so – wir kommen mit dem Thema „Passionszeit“ der Mitte unseres christlichen Glaubens auf die Spur, wenn wir das wollen. Und dazu sind wir erneut eingeladen.

Welche Wege auch immer wir einschlagen – ich wünsche Ihnen und mir, dass wir Gott begegnen oder besser: dass er uns begegnen kann, und dass diese Begegnung sich zum Segen auswirkt für uns selbst und für andere.

Bernhard Philipp, Pfarrer in Nattheim und Fleinheim-Dischingen

Sonntagsgedanke, 04.02.2024

Ich war eine Woche dienstlich unterwegs. Müde und erschöpft kam ich heim. Mein kleiner Sohn empfing mich mit überschäumender Freude. Mein Sohn erzählte. Alles musste erzählt werden. Ich kam kaum zu Wort. Wir spielten und lachten. Die Zeit verging wie im Flug und da saß ich auch schon an seinem Bett für eine Gute-Nacht-Geschichte und ein Gebet. Als ich mir sicher war, dass er schlief, wollte ich leise gehen. Da sagte er zu mir: „Gehst du auch nicht wieder weg, Papa.“

Was steckt alles in diesem Satz? War es die Sorge, dass ich wieder eine Woche weg sein würde oder wollte er unseren schönen gemeinsamen Abend festhalten? Vielleicht war es auch die Angst mich herzugeben oder der Wunsch nach Halt und Sicherheit?

„Gehst du nicht wieder weg?“ – so einen Satz sagen Kinder, aber nicht wir Erwachsene. Wir kommen doch selber mit dem Leben klar, oder? Wir reden nicht über unsere Schwächen. Wir sagen nicht „Hilf mir zu Leben!“ Dabei kennen auch wir diese Ängste und das Gefühl, dass wir alleine mit unserem Leben nicht klarkommen. Warum sonst singt die Band Silbermond:

Gib mir 'n kleines bisschen Sicherheit, in einer Welt, in der nichts sicher scheint.
Gib mir in dieser schnellen Zeit, irgendwas das bleibt.
Gib mir einfach nur 'n bisschen Halt und wieg mich einfach nur in Sicherheit.

Da waren 12 gestandene Männer drei Jahre mit ihrem Freund und Lehrer Jesus unterwegs. Man nannte sie Jünger. Man hat das Leben miteinander geteilt. Als Jesus starb, muss es den Jüngern schier das Herz zerrissen haben. Nach drei Tagen war Jesus aber wieder da, auferstanden und lebendig. Vielen von ihnen wird nun dieser Satz durch den Kopf gegangen sein: „Gehst du auch nicht wieder weg, Jesus?“ Da war dieser kindliche Wunsch nach Sicherheit und Halt.

Es ist ja wie bei mir und meinem Sohn. Ich kann mit Jesus über alles reden. Ich darf klagen, schimpfen und Zeit mit ihm verbringen. Und ich kann zu ihm sagen: „Gehst du auch nicht wieder weg?“ Und die Antwort von Jesus ist: „Nein, hab keine Angst. Ich gehen ich wieder weg! Ich bleibe bei dir, alle Tage, bis ans Ende der Welt!“ (siehe Matthäus 28,20)

Daran kann ich mich festhalten. Darauf darf ich vertrauen.

Jörg Kresse
Leitender Referent im Ev. Jugendwerk Bezirk Heidenheim

Sonntagsgedanke, 21.01.2024

Erasmus, Vielfalt ist Reichtum!

"Es werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, die zu Tisch sitzen werden im Reich Gottes." (Lukas 13,29)

Wie faszinierend ist es, wenn beim Kirchentag Christen aller Welt zusammentreffen ! Menschen nicht nur aus Deutschland und Europa, Menschen aus allen Teilen dieser Welt, die sich zu Jesus von Nazareth bekennen. Für mich einfach herrlich und faszinierend, wenn Menschen es verstanden haben, dass der einzige Weg zu Gott und zum Miteinander der, der annehmenden Liebe ist. Diese ist die zentrale Basis, aus der heraus sich alles gestalten sollte. Liebe, „Agape“ als Basis und Hintergrund von allem Tun, von überhaupt allem ! Denn sie alleine erlaubt Offenheit und Vielfalt in Kirche und Gesellschaft. Ja, einfach schön, wenn Menschen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden an einem Tisch sitzen, zusammen plaudern, essen und singen.

A propos Singen, zum Glück sind einige Lieder im EG in mehreren Sprachen abgedruckt. Wie singt sich „Lobe den Herren“ (EG 316) auf Französisch? Wie klingt das Taizé-Lied „Laudate omnes gentes“ auf Deutsch (EG 181.6)? Wunderbar, etliche Übersetzungen !

Ja, zu dem Mann aus Nazareth zu stehen bedeutet eben, zu dem zu stehen, der ganz verschiedene Jünger und Jüngerinnen um sich hatte. Er zog mit ihnen durch Galiläa und Judäa ! Er war weltoffen, heilte Lahme und Blinde, lebte mit seinen Zeitgenossen, wurde von ihnen in ihr Haus eingeladen, lebte Barmherzigkeit. Er brachte Freiheit und ermöglichte einen neuen Zugang zum Tisch der Gemeinschaft und des Austauschs.

Ja, dieses Jesu-Wort und die Himmels­vorfreude verbindet uns mit Jünger(innen) aller Länder, Sprachen und Hautfarben. Dieses Wort bedeutet „Erasmus“ in der Kirche !

Und wir können es noch weiter­gehend verstehen. Aus dem Kontext geht hervor, was der Nazarener damit ausdrücken wollte: Ihr werdet euch wundern, wer da alles einmal an Gottes Tafel Platz nehmen wird !

In seinem Reich ist Vielfalt erwünscht!

Pfarrer Gilbert Greiner, Söhnstetten

Sonntagsgedanke, 14.01.2024

Anleitung zum christlichen Herzensgebet der evangelischen Kirchengemeinde Köln-Lindenthal

Der erste Atemzug eines Babys ist ein feierlicher Moment. Direkt nach den Mühen der Geburt warten alle Anwesenden darauf. Ist alles in Ordnung, lebt es? Erleichterung, Rührung, Tränen. Jetzt können alle wieder ausatmen, was sie vor lauter Spannung fast vergessen haben.
Ebenso wichtig ist der letzte Atemzug. „Es ist immer wieder ein besonderer Augenblick, wenn die Seele aus dem Körper schlüpft“, beschrieb eine erfahrene Krankenpflegerin diesen Moment.
Und dazwischen? Da leben wir. Tag für Tag, Atemzug für Atemzug. Einatmen, ausatmen, kurze Pause, bis sich der Körper ganz von alleine wieder Sauerstoff holt und einatmet. Dieser selbstverständliche Rhythmus begleitet unser Leben, ob wir schlafen oder einkaufen, die Zeitung lesen oder telefonieren, ob wir alleine sind oder unter Menschen.
Gott machte den Menschen aus Staub und blies ihm den Odem, den Atem des Lebens in die Nase. So wurde der Mensch ein lebendiges Wesen (1. Mose 2,7). Am Anfang der Welt wird der Mensch im Paradies von Gott mit Atem und mit Leben erfüllt. Wir sind nur „Staub“, Knochen, Gelenke, Muskeln und Nervenbahnen, umhüllt von Haut, was alles eines Tages wieder zerfallen wird, aber Gott beseelt uns zu Menschen. Gott erschafft den Menschen, der noch nichts vom Leben weiß, der noch alle Freiheiten hat und sie ausprobieren wird. 
Einatmen, ausatmen, kurze Pause, bis sich ganz von alleine der Körper mit Sauerstoff füllt. 
Mit Sauerstoff? Oder stelle ich mir vor, dass ich bei jedem Atemzug auch von Gott erfüllt bin, nie alleine bin? Dass Gott so nahe bei mir ist wie mein Atem?
Wenn Sie das in Ruhe ausprobieren möchten, empfehle ich die Anleitung zum christlichen Herzensgebet der evangelischen Kirchengemeinde in Köln-Lindenthal, die man auf YouTube findet.
Vielleicht können Sie damit etwas anfangen. Oder Sie können singen: „Gott gab uns Atem, damit wir leben“ und „Kommt, atmet auf, ihr sollt leben. Ihr müsst nicht mehr verzweifeln, nicht länger mutlos sein.“ Atmen und Singen können Mut machen für den neuen Tag.

Käthe Lang, Hellenstein-Gymnasium, Stellvertretende Schulleiterin, evangelische Pfarrerin

Sonntagsgedanke, 30.12.2023

Von sieben fetten und sieben mageren Kühen träumte der ägyptische Pharao (Genesis / 1. Mose 41). Die mageren Kühe fraßen die fetten Kühe. Der Herrscher erwachte und verlangte nach einem, der ihm den Traum deuten könne. So wurde der israelische Sklave Josef aus dem Gefängnis geholt. Er sagte dem Pharao: Die sieben fetten Kühe stehen für sieben gute Jahre, die nun anbrechen, und die mageren Kühe stehen für sieben schlechte Jahre, die folgen werden. Und Josef riet dem König: Erhebe in den sieben fetten Jahren den Fünften, eine Sondersteuer von 20 Prozent, und baue davon Vorratshäuser und sammle das Getreide darin, dass in den mageren Jahren danach niemand Hunger leiden muss. Der Pharao ernannte Josef zu seinem Stellvertreter und befolgte seinen Rat. Josef baute Vorratshäuser und sammelte in den sieben reichen Jahren darin das Getreide, sodass danach in den sieben Hungerjahren den Notleidenden gegeben werden konnte.

Diese Abfolge von fetten und mageren Jahren war in früheren Zeiten ein Naturgesetz. In den guten Jahren des Wachstums bildete man Rücklagen, zahlte Schulden zurück und legte einen Vorrat für kommende Zeiten an, um in den schlechten Jahren des Rückgangs zu überleben.

Wir hatten nach dem Krieg nicht sieben, sondern siebzig gute Jahre, dank billiger fossiler Energiequellen und harter Arbeit. Und wir haben – entgegen dem Rat des Josef in der Bibel – in den guten Jahren nicht Rücklagen, sondern Schulden aufgebaut für ein fortwährendes Wachstum unserer Wirtschaft und unseres Wohlstands. Doch seit dem Coronajahr 2020 und dem Ukrainekrieg 2022 bricht das Wachstum ein, die Inflation und die Kreditzinsen steigen. Im Moment kaschieren wir den Rückgang mit weiteren Schulden. Wie lange geht das gut? Unbegrenztes Wachstum verträgt unser Planet nicht, die Folgen spüren wir schon jetzt. Und Schulden müssen eines Tages auch beglichen werden.

Wir werden uns auf den Wechsel von fetten und mageren Jahren wieder einstellen müssen. Wir werden nicht bei jedem Mangel den vollen Ausgleich erwarten dürfen. Wir werden Zeiten erleben, wo wir lernen müssen, den Gürtel wieder enger zu schnallen und mit fleißiger Arbeit unser täglich Brot zu verdienen.

Und wir brauchen wieder mehr Gemeinschaft im Miteinander und Füreinander. Warum also im neuen Jahr nicht Mitglied bleiben oder werden in einem Verein, Chor, Partei, Gewerkschaft oder Kirche?

Auch im kommenden Jahr wird Gott das Dunkel dieser Welt erhellen und uns mit Glauben, Liebe und Hoffnung erfüllen. Wir müssen nicht einfach nur fordern, sondern dankbar sehen, was er uns schenkt, die Demut haben, ihn um seine Hilfe zu bitten, und das Vertrauen, dass Gott auch im kommenden Jahr uns begleitet und trägt.

Christoph Burgenmeister, evangelischer Pfarrer in Königsbronn.

Sonntagsgedanke, 17.12.2023

125 Jahre Pauluskirche

Ein bemerkenswerter Zug hat sich am Morgen des 18. Dezember 1898, es war der vierte Advent, durch die Altstadt Heidenheims bewegt. Ein letztes Mal wurde um 9:00 Uhr in der Michaelskirche Gottesdienst gefeiert und dann machte sich die ganze Gesellschaft auf den Weg durch die Hintere Gasse, am Rathaus vorbei zur neuen Pauluskirche. An der Spitze des Zuges trugen Schüler die Gefäße für Taufe und Abendmahl, die Altarbibel und das Kruzifix. Am Tor der Pauluskirche angekommen hielt Architekt Felix von Berner eine kurze Rede und übergab dann den Schlüssel der Kirche an Dekan Landenberger, der symbolträchtig die Portale öffnete, damit die Gemeinde ihre neue Kirche in Besitz nehmen konnte.

Ein großer Moment war das für die Heidenheimer Bürgerschaft, auf den sie mehr als drei Jahrzehnte hingearbeitet hatte. Eigentlich waren es sogar fast drei Jahrhunderte, denn schon 1618 wurde ein Bittgesuch an den württembergischen Herzog gerichtet, man möge doch einen Kirchenneubau an anderem Ort veranlassen, da die Michaelskirche zu eng und vor allem im Winter nur mühsam zu erreichen sei.

Diesem Ersuchen wurde nicht stattgegeben und auch im 19. Jahrhundert war die weltliche Obrigkeit, die bis dahin ja auch kirchliche Obrigkeit war, sehr zögerlich. Es war eine selbstbewusste und opferbereite Bürgerschaft, die den Neubau schließlich ermöglicht hat. Der Bauplatz wurde gestiftet, die gesamte Innenausstattung von den Fenstern über den Altar bis zur Kanzel wurde von wohlhabenden Bürgern finanziert und auch die Mittel für das Bauwerk an sich wurden zu einem beträchtlichen Teil durch Spendenaktionen aufgebracht.

Die Pauluskirche ist also wahrlich eine Bürgerkirche. Von der Bürgerschaft der Stadt für die Bürgerinnen und Bürger errichtet. Als ein Ort, der durch seine Bauweise und seine Ausstattung Menschen anrühren und öffnen solle für Andacht und Gottesbegegnung.

Heute freuen wir uns, dass die Pauluskirche in den zurückliegenden 125 Jahren alle Bedrohungen überstanden hat und in ihrer ursprünglichen Form und Ausstattung weiter diesem Zweck dienen kann. Kommen Sie doch vorbei und schauen Sie rein, zur persönlichen Andacht mit einem brennenden Licht am Kerzenbaum, zu einem unserer Gottesdienste oder Konzerte, oder am besten gleich diesen Sonntag beim Jubiläumsgottesdienst mit Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl.

Dekan Gerd Häußler
Evangelischer Kirchenbezirk Heidenheim

Sonntagsgedanke, 03.12.2023

Zeit für Hoffnung

Es ist Zeit, die erste Kerze anzuzünden. Es ist Zeit, die Plätzchen aus dem Backofen zu nehmen. Es ist Zeit, Verwandten und Freunden zu schreiben. Es ist Zeit eine Wunschliste aufzustellen. Für was es doch alles Zeit ist in den wenigen Adventswochen, denn der letzte Adventssonntag fällt auch noch mit Heilig Abend zusammen. Dabei bereitet man sich auf kein Fest über das Jahr gesehen so intensiv vor wie im Dezember auf Weihnachten. Denn die sieben Fastenwochen vor Karfreitag und Ostern fallen kaum auf und haben fast keine Bedeutung im öffentlichen Bewusstsein. Nutzen wir also die Ausnahmezeit des Advents. Nutzen wir sie um zu fragen,  was es an der Zeit ist. Was drängt uns und was kann warten? Worauf kommt es dieser Tage an?

Im Advent kommt die eine uralte Vorstellung zur Sprache, dass Gerechtigkeit und Freude und Hilfe aus aller Not in unser Leben einziehe. Erwartet wird der, der diese Welt errettet. Mit ihm wird das Heil fassbar, ändern sich die Verhältnisse, wird Segen ausgeteilt und der Fluch weggenommen. Dies ist die Adventsbotschaft, war sie schon immer. Und stets war sie im vorweihnachtlichen Glöckchenläuten, im Gedränge und bei aller Kauflust irgendwo untergegangen. Warum soll es anders sein dieses Mal? Weil es an der Zeit ist. Denn über diese Wochen heißt es anderer Stelle: Ein weiterer Kriegswinter in der Ukraine steht bevor. Und die Waffen werden nicht ruhen im Gazastreifen. Die Preise steigen, dass es nicht mehr feierlich ist. Der Zusammenhalt der Menschen dagegen zerfällt wie schmelzender Schnee. Die Menschen spüren, dass es auf etwas anderes ankommt. Die Sehnsucht nach Guten, nach einem, auf den Verlass ist, ist überall. Und deshalb muss das eine Wort in diesem Advent ganz groß geschrieben werden: das Wort „Hoffnung“. Denn wenn die Kirchen von Jesus Christus sprechen, der kommt und der an Weihnachten geboren wird, dann meinen sie den, der zuerst an andere gedacht hat und zuletzt an sich. Dann verkündigen sie den, der vor das Herrschen das Dienen gestellt hat. Und sie feiern den, der aus Liebe alles auf sich genommen hat und gezeigt hat, dass sie auch den größten Feind überwindet.

Brauchen wir das, den einen Menschen, der das vollbringt. Brauchen wir einen solchen Glauben noch?

Wir brauchen wohl alle diesen Menschen in uns selbst und haben es nötig ein solcher Mensch zu werden. Dazu ist es an der Zeit. Dazu kommt der Advent. Und er möge anhalten und seine Hoffnung in die Welt tragen.   

Frank Bendler, Pfarrer in der Auferstehungskirchengemeinde Heidenheim

Sonntagsgedanke, 22.11.2023 - Buß- und Bettag

Kurswechsel

Immer am Mittwoch vor dem letzten Sonntag des Kirchenjahres feiert die evangelische Kirche den Buß- und Bettag. Leider teilt er das Schicksal vieler Feiertage, die keine arbeitsfreien Tage mehr sind, und wird wenig beachtet. Auch sind Buße und Gebet nichts, was in unserer modernen Gesellschaft noch anschlussfähig erscheint.

Früher war das anders. Da haben die großen Staatsmänner, Könige und Kaiser, Bußtage ausgerufen, wenn die Not groß war. Wenn die menschlichen Möglichkeiten an ihre Grenzen gekommen sind und Kriege, Hungersnöte oder Krankheiten die Menschen bedroht haben, dann wurde das ganze Volk dazu angehalten, zu beten. Die wirklich großen Katastrophen, da war man sich einig, die konnten nicht von Menschenhand gelöst werden, da musste eine andere Macht angerufen werden. Gleichzeitig stand außer Frage, wer mit Schuld an diesem Zustand hatte. Wo die göttlichen Gebote missachtet werden, da kann nichts Gutes entstehen.

Daher gehörte zum Gebet um Gottes Beistand immer auch die Buße. Buße bedeutet Umkehr. Der Weg, auf dem man bisher unterwegs war, war der falsche. Doch ist nicht die unreflektierte 180-Grad-Wende gemeint. Umkehr braucht Besinnung, damit man sich neu ausrichten kann. Sie setzt voraus, dass wir unsere Fehler erkennen und sie uns vor allem eingestehen. Denn nur so können wir einen neuen Kurs wählen, der in eine bessere Zukunft führt.

Undenkbar scheint es heute, mit dem Aufruf zur Besinnung und Umkehr auf die multiplen Krisen unserer Zeit zu reagieren. Dabei könnte genau das ein Weg aus dem Gefühl der Hilflosigkeit sein: Einfach einmal innehalten, durchamten und schauen, auf welchem Weg wir da eigentlich sind. Und wenn uns das Ziel nicht gefällt: Umkehren! Bei nächster Gelegenheit anderes abbiegen und sich für die Möglichkeit öffnen, dass es nicht die menschlichen Mächte sind, die das letztgültige Ziel bestimmen. Wir können es einfach einmal wieder versuchen mit dem Beten – einfach, weil heute der Tag dafür ist.

Dina Streib, Pfarrerin in Königsbronn-Zang

 

Sonntagsgedanke, 12.11.2023

Furchtlos Stellung beziehen

War es Mut, war es Profilierung, war es Furchtlosigkeit, war es das Erkennen der Zeit – was auch immer ihn bewegt hat: Robert Habecks Video-Rede zu Israel und Antisemitismus wurde Millionen Mal angeklickt und über Parteigrenzen hinweg mit Respekt wahrgenommen.
In eine Zeit hinein, in der öffentlich auf unseren Straßen Hetzrufe gegen Israel zu hören waren und Jüdinnen und Juden in unserem Land vermehrt Angst vor Übergriffen auf Einrichtungen und ihr Leben haben.
Ihnen und dem Staat Israel gegenüber drückte er seine uneingeschränkte Solidarität aus.
Doch nicht nur dies: Dem angewachsenen Antisemitismus in unserem Land - offen oder versteckt geäußert - stellt er sich eindeutig entgegen: „In unserem Land ist kein Platz dafür.“ Und: Äußerungen wie „Ja, Israel erlebt gerade schlimmes Leid, aber…“ weist er zurück, indem er deutlich macht, dass der Terrorangriff und das entsetzliche Massaker an Kleinkindern und alten Menschen mit nichts zu rechtfertigen sind!
Ja, in dieser Rede spüre ich viel von Furchtlosigkeit: Wir lassen uns nicht von kriminellen Übergriffen und dem Bejubeln des Terroraktes der Hamas auf unseren Straßen beeindrucken.
Wir stehen zu unserer besonderen Verantwortung gegenüber Israel.
  Um Stellung zu beziehen, braucht es einen Standpunkt: Robert Habeck nennt für uns Deutsche unsere Verpflichtung aus dem Holocaust, Israel zu schützen, wenn sie bedroht sind.
Wenn unsere Politiker furchtlos Stellung beziehen, um wieviel mehr Christen, denen zugesagt ist: „Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit!“ (2.Thimotheus 1,7)

Terror und Hass werden im Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern keine Wege zum Frieden bahnen.

Besinnen wir uns auf unsere Wurzeln:
Gott, den wir im `Vaterunser´ anrufen ist der Gott Israels. Von Ihnen haben wir die Gebote, die Lebensraum für alle schaffen.
Israel hat er seine Treue versprochen – durch das unsägliche Leiden im Holocaust hindurch  hat Gott ihnen einen Neuanfang im Land der Väter eröffnet.
Und: Auf dem Weg durch die Geschichte ist in Israel die Hoffnung gewachsen, dass Gott einen sendet, der den Völkern Frieden bringt. Als Christen glauben wir, dass der Jude Jesus der ist, den Gott gesandt hat.
Wir glauben, dass er ein zweites Mal kommt, um Frieden unter den Völkern herzustellen.
In solchem Vertrauen gibt Gott Kraft und schenkt Liebe, um Hass zu überwinden und Wege des Friedens zu suchen.
Mögen sich viele in diesen Tagen vertrauens-voll aufmachen: In Israel, in Gaza, in der Westbank und überall auf unserer Erde und überwinden wir den Geist der Furcht im Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit!

Thomas Völklein, Ev. Klinik-Seelsorger

Sonntagsgedanke, 07.11.2023

Liebe Leser,

vor uns liegen der Ewigkeitssonntag, die Adventszeit, das Weihnachtsfest und der Abschied dieses Jahres.

Es ist die Zeit, die immer mit dem Wort „Besinnung“ überschrieben wird. Ich möchte nicht auf das Wort eingehen. Vielmehr möchte ich in diesem Kontext ein Zitat von Roger Willlemsen betrachten. Er schrieb: „Da wir das Leben nicht verlängern können, müssen wir es verdichten.“

Roger Willemsen, ein bekannter deutscher Publizist und Fernsehmoderator, starb sehr früh, und vielleicht wusste er zum Zeitpunkt, da er die Worte aufschrieb, bereits darum.

Das Leben verdichten. Ich kann es auch mit Worten von Cicely Saunders, der Begründerin der modernen Hospizbewegung, sagen „Wir sollen dem Leben nicht mehr Tage, sondern den Tagen mehr Leben geben.“ Die beiden Zitate sind für uns alle ein Aufruf, eine Ansage gegen die Hetze unserer Zeit.

Aber wie verdichte ich mein Leben? Im Psalm 90 werden wir aufgerufen, darüber nachzudenken: „Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.“

Geht es um mehr Urlaub, mehr Konsum, kein Stillstand, überall dabei sein? In meiner Interpretation ist es gerade dies nicht. Die Pointe dieses Verses ist, dass wir uns bewusst machen sollen, dass wir bei all unserem Tun immer auch die Vergebung und Erlösung Gottes nötig haben. Wir sollen nicht dem Mainstream hinterher hetzen! Das gibt für mich keine bleibende Fülle, kein sinnstiftendes Verdichten.

Meinen Tagen mehr Leben zu geben, es zu „verdichten“, bedeutet für mich, die freien Stunden mit meiner Frau, meinen Kindern und Enkelkindern zu verbringen, Rad fahren, einfach nur „wohnen“, lesen oder ein gutes Essen mit Freunden. Und auch zu versuchen, mich im täglichen Umgang mit anderen Menschen an moralische Regeln zu halten. Man könnte es auch den „kategorischen Imperativ“ von Immanuel Kant nennen.

Bei allem, was ich tue, will ich nicht vergessen, dass ich es nicht in der Hand habe, das Ende meines irdischen Daseins. Und deshalb will ich mein Leben leben, so gut es geht und Niemandem mit Absicht weh tun.

Ich wünsche Ihnen allen von Herzen, dass auch Sie eine Möglichkeit finden, die kommende „besinnliche Zeit besinnlich zu verdichten!“ Vielleicht bei einem „Lebendigen Adventskalender“, einem vorweihnachtlichen Konzert oder einem winterlichen Spaziergang.

Ihr Frank Rosenkranz (Diakon)
Diakonie Heidenheim

Sonntagsgedanke, 29.10.2023

Woran merke ich, dass sich jemand für mich interessiert? Dass ich jemandem wichtig bin? Viele von Ihnen sagen vermutlich: Das merke ich daran, dass sich jemand Zeit für mich nimmt, nachfragt, mich kennenlernen will.

Und wie ist das bei Gott? Woran merke ich, dass er sich für mich interessiert?

Martin Luther hat sich das auch gefragt als junger Student im Kloster: Interessiert sich Gott eigentlich für mich? Und wenn ja, wie? Und was interessiert ihn an mir? Und er glaubte Antworten zu haben: Wenn Gott sich für mich interessiert, dann schaut er besonders auf das, was ich falsch mache, wo ich Schuld auf mich lade. Er ist der Richter. Was sollte ihn da sonst an mir interessieren? Und doch hatte Luther die Tiefe innere Sehnsucht nach einem anderen Gott, nach einem an seinem Wohlergehen interessierten Gott. Nach einem ihn liebenden Gott.

Martin Luther lernte über die Jahre: An meinem Wohlergehen und an meinem Glück kann ich nicht ablesen, dass Gott sich für mich interessiert. Wenn ich auf Grund meiner Lebenserfahrungen herausfinden will, ob Gott es gut mit mir meint oder nicht, dann werde ich wie ein Schiff auf dem wilden Meer dauernd hin und her schwanken. „Er interessiert sich für mich, er tut es nicht; er liebt mich, er liebt mich nicht…“

Sein Beichtvater Staupitz öffnete Luther einen anderen Horizont. Er sagte zu ihm: „Wer und wie Gott ist, erkennst du in Jesus Christus. Schau auf ihn. Rede mit ihm. Denn allein in Christus kommst du zur gewiss machenden Erkenntnis, dass Gott sich für dich interessiert.“

Denn wer sich wirklich für einen anderen interessiert, begibt sich in dessen Welt. Das macht Gott: In Jesus gibt er alles auf, was er hat, und kommt zu uns auf die Erde. Er wird wie wir. Er liefert sich uns Menschen aus, leidet mit uns. Zur Vergebung unserer Schuld und um unser Vertrauen zu gewinnen, lässt er sich ausliefern und stirbt am Kreuz.

An Jesus können wir sehen, wie sehr sich Gott für uns interessiert.

Am Dienstag, 31.10., ist Reformationstag. Ein Grund, sich Luthers Entdeckung neu sagen zu lassen: „Wer auf Jesus schaut, stellt fest, dass Gott uns Menschen nicht allein als Menschen mit Fehlern betrachtet, sondern als geliebte Menschen.“

Hanna Wißmann, Pfarrerin in Mergelstetten

Sonntagsgedanke, 01.10.2023

Fotoquelle: Dietmar Krieg, Kath. Pfarrer in Heidenheim- Großkuchen/Schnaitheim/Königsbronn“

Gemeinschaft des Teilens

„In einer Scheuer wohnten fünf Feldmäuse“, erzählten die Kindergartenkinder letzten Sonntag in Großkuchen im ökumenischen Familiengottesdienst. Während vier der Mäuse für den Winter Körner suchen, sammelt die Maus Frederick Farben und Wörter.

Hinter der fröhlichen Mäusegeschichte von Leo Leonni schimmert die Erfahrung mancher Berufe. Es geht um einen Dichter, der in seinem Beruf um Anerkennung ringt. Um ihn herum finden sich Menschen, die auf Handwerk setzen. Fantasie ist doch etwas für Traumtänzer, werfen die vier Mäuse Frederick vor. Will heißen: Die Not holt einen schnell wieder auf den Boden der Tatsachen.

Jesus erzählt hinsichtlich des Hortens von einem reichen Kornbauern, dessen Feld gut getragen hatte. Zur Sicherung der Ernte brach er seinen Kornspeicher ab und baute größere, in der Hoffnung, dass er für viele Jahre Vorräte hätte.

„Du unvernünftiger Mensch“, urteilt die Bibel über ihn. Aber ist es unvernünftig, für die Not gewisse Rücklagen zu bilden? Wie schnell droht Privatinsolvenz! - Allerdings rechnet der Bauer nicht mit den Wechselfällen des Lebens. Es kann auch unvernünftig sein, zu horten: Reichtum weckt Neider. Räuber kommen. Wegen Kornkammern überfallen sie ganze Länder - wie in der Ukraine.

Die Mäuse um Frederick sammeln Vorräte nur für den nächsten Winter. Die einen Mäuse teilen mit Frederick Körner, auch wenn sie seine Dichtkunst erst spät wertschätzen. Frederick teilt mit ihnen seine Gedichte und Geschichten. So werden beiden Seiten satt - leiblich und geistig. Die Frederick-Geschichte ist eine fröhliche Geschichte des Teilens, in der die Mäuse Lösungen für ihren Winter finden.

Der Erntedanktag erinnert uns daran, dass wir uns mit unseren unterschiedlichen Gaben in unserem Land gegenseitig viel schenken können, um Probleme zu lösen, die uns so mancher Winter bringen mag. Und: Die Gemeinschaft des Teilens ist gerade für die Menschen wichtig, die keine Möglichkeit haben, „not-wendige“ Rücklagen zu bilden.

Pfarrer Martin Kleineidam, Schnaitheim

Sonntagsgedanke, 17.09.2023

„Guten Morgen, liebe Sorgen, seid ihr auch schon wieder da?“
Ich denke, dass viele von uns in diese Liedzeile einstimmen können.
Wir haben Sorge um die, die uns nahestehen und um uns selbst.
Wir sorgen uns um das Wohl unseres Landes und den Zustand der Welt.
Sorgen sind aufdringlich. Sie treiben uns um und rauben uns Nerven, Mut und Hoffnung.
Manche Sorgen können wir bearbeiten, manche aber bleiben.
Und darum wollen wir die Zukunft planen und beherrschen, damit uns möglichst nichts Unvorhergesehenes passieren kann und wir vorbereitet sind auf alles, was kommt – oder auch nicht.
Und gleichzeitig wissen wir und erleben es aktuell fast jeden Tag:
Eigentlich geht das nicht. Die Zukunft planen können wir nicht.
Vielleicht sagte Jesus genau deshalb einmal folgendes: „Sorgt euch nicht um morgen!“
Bei Jesus ist diese Aufforderung eng mit Gott verbunden, den er uns als liebevollen Vater nahebrachte, der für unser Leben Fürsorge trägt und uns all das zugedacht hat, was lebensnotwendig ist und was das Leben lebens-wert und schön macht.
Und so verstehe ich die Worte Jesu als Einladung, diesem Gott zu vertrauen.
Er weiß um die Sorgen von uns Menschen Er nimmt sie ernst und teilt sie mit uns.
„Deine Sorgen möcht ’ich haben!“, ruft er uns zu und ermutigt uns damit, unsere Sorgen getrost loszulassen, sie ihm zu überlassen, sie bei ihm zu ‚entsorgen‘.
„Sorgt euch nicht!“ Das ist nichts, was mir leichtfällt. Aber ich will Jesus ernst nehmen und will es im Vertrauen auf Gott versuchen. Denn vielleicht steckt im Loslassen meiner Sorgen die Chance, dass mein Kopf und mein Herz frei wird: Frei von allem, was ich krampfhaft zu kontrollieren versuche, was ich planen und im Griff haben möchte. Frei für das, was meinem Herzen, meiner Seele, meinem Leben und so auch dem Leben anderer wirklich guttut.
Vielleicht gelingt mir so auch, es gut sein zu lassen. Mit innerem Frieden zu leben. Im Moment zu sein. Das zu tun, was im Augenblick wirklich dran ist. Nicht weniger, aber eben auch nicht mehr.

Pfarrerin Karin Kuhn
Evangelische Kirchengemeinde Oggenhausen

Sonntagsgedanke, 03.09.2023

Im Sommer habe ich eine Städtereise unternommen. Museen und verwinkelte Altstadtgässchen boten Einblicke in die Vergangenheit. Im Stadtzentrum begegnete mir die Gegenwart: vor den Kaufhäusern und Boutiquen saßen Menschen mit Pappbechern und bettelten um eine Spende. Mit ein wenig schlechtem Gewissen bin ich an ihnen vorübergegangen. Man kann ja nicht jedem helfen, sagte ich mir.

Es ist in der Tat eine vieldiskutierte Frage, ob es sinnvoll ist, Bettelnden etwas in ihren Pappbecher zu werfen, oder ob damit nicht eher die Not zementiert wird. Eine eindeutige und abschließende Antwort darauf wird es nicht geben. Zu verschieden sind die Lebenslagen, die Menschen dazu bringen, auf der Straße zu betteln. Doch der Wochenspruch, der diesem Sonntag in der evangelischen Kirche zugeordnet ist, lässt mich ins Nachdenken kommen. Im Evangelium nach Matthäus lesen wir: „Christus spricht: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“ (Matthäus 25,40)

Wenn wir diesen Satz ernst nehmen, dann sitzt da nicht nur ein „Sozialfall“ am Straßenrand. Auch wenn Bettelnde uns in einer würdelos erscheinenden Position begegnen, bleiben sie doch Menschen mit eigener Würde. Ja, mehr noch: in ihnen begegnet uns Gottes Ebenbild. Die Hilfe, die wir Menschen in Not gewähren, betrachtet Jesus so, als hätte sie ihm gegolten.

Doch wie weit, so höre ich nicht nur mich fragen, soll denn unsere Hilfe gehen? Man kann ja nicht allen helfen, wir können doch nicht die Welt retten … So ähnlich wurde auch schon Jesus gefragt. Als Antwort erzählte er das Gleichnis vom barmherzigen Samariter. Dort erfährt ein Mensch in einer Notlage Hilfe von demjenigen, von dem man diese Hilfe zuletzt erwartet hätte. Jesus macht damit deutlich: mein Nächster kann jeder sein. Es kommt nicht darauf an, wie nahe ich jemandem stehe, sondern ob ich jetzt und hier die Möglichkeit habe, etwas zu tun. Nächstenliebe heißt nicht, allen zu helfen – aber jedem, dem wir unsere Hilfe anbieten können. Damit retten wir nicht die Welt. Aber wir leisten mindestens einen Beitrag dazu.

Vielleicht werfe ich das nächste Mal doch etwas in den einen oder anderen Pappbecher.

Pfarrer Rolf Wachter
Evangelische Kirchengemeinde Heuchlingen und Heldenfingen

 

Sonntagsgedanke, 20.08.2023

Gott sei DANK!

Wir Deutschen sind Urlaubsweltmeister! Wir lieben es, zu verreisen! Neben Erholung und Entspannung, wollen wir etwas Schönes erleben und Neues sehen, wir staunen gerne über einen Wasserfall, den Sonnenuntergang oder andere Naturphänomene. Dabei machen wir unzählige Bilder, posten sie in den sozialen Netzwerken und zeigen sie unseren Freunden. Sie sollen sich mitfreuen und staunen.

Aber warum nicht mal einen wunderschönen Sonnenuntergang heimlich genießen? Wirklich innehalten und auf Fotos verzichten, ihn einfach auf sich wirken lassen? Und dabei an den denken, der sich dieses Naturschauspiel ausgedacht hat, der so viel Kreativität in seine Schöpfung steckt! Diesen besonderen Moment einfach nur mit ihm genießen und Gott dafür Danke sagen! Ihm danken für das Leben, die Schönheit und die Kreativität, das Glück, das Sie gerade erleben.

Als Kindern wurde uns beigebracht, dass sich ein Danke gehört, wenn man etwas bekommt!

Als Erwachsene ist es für uns ganz normal geworden, dass wir uns bei anderen Menschen bedanken.

Aber wann haben wir Gott das letzte Mal einfach nur Danke gesagt für das Schöne, das wir erlebten oder sahen?

In Ps.40 beschreibt König David, wie in ihm ein Lied entsteht. Es sprudelt nur so aus ihm heraus, als er erlebt, wie Gott ihm Gutes tut! „Er gab mir ein neues Lied in meinen Mund, ein Lob für unseren Gott!“, schreibt er in V.4.

Es muss vielleicht nicht gleich ein Lied sein, komponieren ist schließlich nicht jedermanns Sache.

Aber ein simples „Danke Gott! Das hast Du richtig gut gemacht!“, aus unserem Herzen direkt an Gottes Herz gerichtet, das macht ihn froh! Gott freut sich, wenn wir ihn nicht übersehen, sondern hinter den schönen Dingen des Lebens, seine Handschrift wahrnehmen, ihn wahrnehmen! Wie oft übersehen wir Gott in unserem Alltag und die Mühe, die er sich für uns macht. Urlaub ist eine gute Gelegenheit, innezuhalten und Gott in den schönen Dingen, die wir sehen und erleben wahrzunehmen und ihm unseren Dank auszudrücken! Ich wünsche Ihnen in diesem Sommer viele solcher schönen Gelegenheiten zum Auftanken und um Gott einfach mal Danke zu sagen.

Samuel Kißner, Pastor der Ev. Brückengemeinde, Heidenheim

Sonntagsgedanke, 06.08.2023

Herunterkühlen

Bei meinem ersten Auto ging die Kühlfunktion des Motors kaputt. Beim Rangieren auf dem Parkplatz kochte das Kühlwasser über. Der Tipp aus der Werkstatt bis zur Reparatur: Wasser nachfüllen und Heizung hochdrehen, so wird die Wärme des Motors abgeleitet. 

Daran dachte ich beim Blick auf das Miteinander in unserem Land. Da ist der Motor ziemlich heiß. Man regt sich übereinander auf: Die einen, dass sich so wenig beim Klimaschutz bewegt. Die anderen, dass man ihnen Fortbewegung, Wohnen und Essen vorschreibt. Krieg, Inflation und Migration heizen zusätzlich an - bis zum Überkochen in hitziger Debatte.

Damals auf dem Parkplatz musste ich wegen des überkochenden Motors sofort anhalten. Genauso führt unsere überkochende Gereiztheit dazu, dass man sich gegenseitig lahmlegt und damit die Probleme verschärft.

Was also tun? Wasser nachfüllen – also von außen Frisches zuführen. In unserer überhitzten Gesellschaft wirken frische Anregungen von außen kühlend. Anderen zuhören. Verstehen, warum sie anders denken. Über meine Windschutzscheibe hinausblicken.

In der Bibel ist Wasser Symbol für Gottes Kraft. Ich habe mir meine Welt nicht selbst erarbeitet, sondern sie ist sein Geschenk. Das lässt mich damit anders umgehen.

Der zweite Tipp: Heizung aufdrehen. Als Autofahrer nahm ich so die Hitze des Motors bei mir auf. Übertragen auf unsere Gesellschaft: Bei mir selbst anfangen. Ich kann nicht die anderen verändern, sondern nur mich selbst, indem ich bei meinem täglichen Verhalten überlege: Muss das jetzt sein? Gibt es Alternativen? Sicher ist es manchmal sinnvoller, das Auto statt dem Fahrrad zu nehmen – aber immer und überall? Bestimmt ist Fleisch lecker – aber wirklich täglich?

Wasser nachfüllen und Heizung hochdrehen. So kann eine überhitzte Gesellschaft herunterkühlen. Indem wir unser Leben als Geschenk sehen: „Bei dir, Gott, ist die Quelle des Lebens und in deinem Licht sehen wir das Licht.“ (Psalm 36,10).

Ulrich Erhardt, evangelischer Pfarrer in Niederstotzingen

Sonntagsgedanke, 23.07.2023

Mit Gott im Zeltlager

Die Konfirmandinnen und Konfirmanden aus dem Landkreis Heidenheim feiern an diesem Wochenende ein besonderes Fest: das evangelische Jugendwerk lädt zum „Konfi-Camp“ ein. Dann wohnen mehr als 250 Jugendliche ein Wochenende lang in einer großen „Zeltstadt“ und genießen dort Konzerte, ein Sportturnier, Workshops, Lagernächte und viele Erlebnis-Angebote – ein großes Fest gleich ganz am Beginn der Konfirmandenzeit!

Unterwegs im Zelt. Diese drei Worte können beim Hören unterschiedliche Emotionen auslösen. Für den einen bedeutet das gemeinsame Zelten die ultimative Freiheit und Unabhängigkeit im Einklang mit der Natur. Der andere denkt eher an die Geräusche aus den Nachbarzelten, die durch die dünnen Zelt­wände nicht zu überhören sind - und daran, wie schwer es ist, auf einem Zeltplatz ein Stück Privatsphäre zu behalten…

Schon in der Bibel hat das Zelt eine große Bedeutung. Während der langen Wüsten­wanderung führte das Volk Israel das "Zelt der Begegnung“ mit sich, ein mobiles „Gotteshaus“, in der die Menschen auch „in Wüstenzeiten“ die Gegenwart und Nähe Gottes spüren und feiern konnten. Eine „Kirche“, die nicht fest und unverrückbar steht, sondern die auf unseren Lebenswegen mitzieht, auch in die Wüste hinein, damit auch dort noch die Nähe Gottes gespürt und erlebt kann… Eine schöne Idee!

Und im vorletzten Kapitel der Bibel beschreibt Johannes im Buch der Offenbarung (21,3) das himmlische Paradies mit den Worten: „Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und Gott wird bei den Menschen wohnen…“. Im griechischen Urtext steht hier das Wort „Zelt“: „Siehe da, das Zelt Gottes bei den Menschen. Und Gott wird bei den Menschen zelten“…

Was will Johannes mit diesem Bild ausdrücken? Er erzählt davon, dass wir im Himmel mit Gott „auf du und du“ sein werden, dass wir – wie beim Zelten – ihm ganz nahe sein dürfen und in seiner Nähe wohnen und leben dürfen. Was für eine schöne Verheißung!

Mit diesem Bild vom „mitten unter uns zeltenden Gott“ einen ganz herzlichen Gruß an alle Konfirman­dinnen und Konfirmanden im „Konfi-Camp“!

Pfarrer Steffen Palmer, Evangelische Kirchengemeinde Sontheim-Brenz-Bergenweiler

 

Sonntagsgedanke, 09.07.2023

Wenn Sie wohin kommen, dann schauen sie sich, wie ich, zuerst um. Man verschafft sich einen Überblick. Man sieht und hört, was gerade ist und schätz die Lage ein. Das kann auf einem Fest sein. Wer ist da? Wen kenn ich? Wo ist was? Dann beginnt man ein Gespräch und/oder sucht sich einen Platz. Das Weitere entwickelt sich.

Ähnliches höre ich von den ersten Jüngern. Der Täufer Johannes weist zwei Menschen auf Jesus hin. Sie folgen dem Hinweis und gehen dem nach. Neugierig, aufgeschlossen und auch etwas unsicher kommen sie. Jesus sieht das. Er überzeugt sie nicht mit vielen Worten oder will etwas von ihnen. Es ist nur ein „Komm und Sieh“. Er lädt sie ein sich ein Bild zu machen und durch das Dabeisein (und Mitmachen) eine Meinung zu entwickeln.

Jesus tut, was uns entspricht und gut tut: Er nimmt das Gegenüber als mündige Menschen mit. Es ist ihm nicht egal, ob die Leute dabei sind oder nicht. Er nimmt mit und lädt ein. Seine Sache ist eindeutig. Mach dir durch das, was du hörst, siehst und mitbekommst selbst ein Bild. Jesus lässt ihnen dabei die Freiheit sich zu entscheiden. Er traut sich selbst und seiner Sache. Das steckt für mich im „Komm und sieh.“

Die Leute wissen nicht, wo alles hingeht oder wie es werden wird. Es steckt für sie ein gewisses Wagnis darin. Es braucht Mut. Sie müssen sich in der Freiheit, die ihnen eröffnet wird, etwas trauen. Nichts tun ist, wie oft im Leben aber auch keine Option. Komm und sieh ist also auch eine Aufforderung Freiheit zu nutzen und sich auf den Weg zu machen.

Wenn es nicht überzeugt, dann werden sie, wie wir heute auch, mit den Füßen abstimmen und anders tun. Die Jünger gehen mit. Sie erleben, dass mehr passiert, als sie sich erwartet haben. Über ihnen steht immer wieder der Himmel offen und sie erleben Zukunft, die Gott schenkt. Das wünsche ich uns auch. Komm und sieh. Mach dir dein Bild und entscheide dich, damit wir Zukunft offen sehen. Das schenkt uns Gott.   

Jürgen Bobzin, Pfarrer in Gerstetten

Sonntagsgedanke, 25.06.2023

Hingelegt an Gottes Herz – und die Folgen

Am 24. Juni 2023 feiert die evangelische Kirche die Taufe. Tauffeste und Gottesdienste zur Tauferinnerung werden landauf landab gehalten. Auch in Heidenheim feiern wir ein Tauffest.

Egal ob als Säugling oder Erwachsener, die Taufe ist ein bedeutender Moment im Leben, voller Dankbarkeit, Freude und Segen.

Ein Tag um den Glauben zu feiern und Teil der christlichen Gemeinschaft zu werden.

Eine Erinnerung, dass wir nicht allein auf unserem Lebensweg sind, sondern umgeben von der Liebe Gottes und der Unterstützung unserer Mitmenschen.

Eine Einladung uns bewusst zu machen, dass der Glaube Kraft schenkt.

So ist Taufe ein „Hingelegt werden“ an Gottes Herz, eine Hingabe an seine Barmherzigkeit. Das gibt uns, wenn wir uns dessen bewusstwerden, Kraft, Gutes zu tun und anderen zu helfen.

Es passt gut, dass wir in Heidenheim darum am Vormittag des Tauffests den zentralen Diakoniegottesdienst feiern. Damit stehen an diesem Sonntag unsere diakonischen Einrichtungen einmal ganz im Mittelpunkt: Von den ambulanten Hilfen wie Sucht- und Schuldnerberatung weit hinaus bis zu den Altenpflegeeinrichtungen und den Fachschulen für die Erzieherausbildung oder der Hospizarbeit.

Diakonisches Handeln kann inhaltlich aber weit darüber hinausgehen.

Denn das Gute, das geleistet wird, können wir nicht ausschließlich delegieren: „Die bei der Diakonie machen das schon“ oder weiter: „Der Staat macht das“, „die da oben sollen das machen“…solches und anderes höre ich oft.

Menschen handeln aber auch als einzelne nach unserem Verständnis zutiefst diakonisch, wenn sie sich für andere einsetzen. 

Im letzten Kapitel des Matthäusevangeliums werden Kranken- und Gefangenenbesuche, Kleidungs- und Essensgaben sowie weitere Gesten der Mitmenschlichkeit aufgezählt.

Jesu Position dazu lautet:

„…das habt ihr mir getan“ bzw. „das habt ihr mir nicht getan“. Diakonisches Handeln ist also ein zutiefst zwischenmenschliches Handeln.

Darin ist Jesus gegenwärtig, ob der Handelnde sich dessen bewusst ist oder nicht. Gelebter Glaube entscheidet sich aus Jesu Sicht an diesem Kriterium, am konkreten Umgang mit jedem Menschen.

Die Haltung, aus der heraus wir taufen ist ein rein rituelles Gehabe und eine unbeeindruckte  Bedürfnisbefriedigung,  wenn nicht die Tat der Mitmenschlichkeit hinzukommt.

Das hatten die Propheten des Alten Testamentes schon lange vor der Zeitenwende immer wieder angeprangert.  

Damals wie heute – die Option für die, die unserer bedürfen. Zum „Ich bin getauft auf deinen Namen“ das: „Doch hab ich dir auch Furcht und Liebe, Treu und Gehorsam zugesagt“ (EG 200). Aus Gottes Liebe zu mir der Auftrag in der Welt.

Wir sind Kirche für andere und mit anderen. Wir bringen mit unserem Reden und mit unserem Tun die Menschenfreundlichkeit Gottes zum Ausdruck.

In diesem Sinne wünsche ich allen, die am kommenden Sonntag das eine oder das andere Fest feiern oder gedenken, die Sicht, die beides zusammensieht: Taufe und Diakonie.

Eva-Maria Busch, Pfarrerin, Evangelische Zinzendorfgemeinde Heidenheim

 

Sonntagsgedanke, 11.06.2023

(1. Sonntag nach Trinitatis. In Nürnberg findet zum Abschluss des 38. Evangelischen Kirchentags der Schlussgottesdienst statt. Motto des Kirchentags: „Jetzt ist die Zeit“, Markus 1, 15.)

 

„Jetzt ist die Zeit“

 

Es ist ein großes Wort, unter dem der 38. Evangelische Kirchentag steht: „Jetzt ist die Zeit“. Das erste Wort, das Jesus im Markusevangelium spricht. Ein Wort, das als persönliche Einladung verstanden werden kann: „Sieh die offene Tür!“ Oder als eindringlicher Appell: „Es ist höchste Zeit!“ In den über 2000 Veranstaltungen des Kirchentags haben Klimaschutz und Friedenspolitik ihren festen Platz. Zu Recht. Es sind die Themen, die viele Menschen bewegen, ob sie nun enger oder gar nicht mit Kirche und Glaube verbunden sind. Dabei wünsche ich mir, dass wir als Kirche nicht nur die Meinungen und Mahnrufe um uns herum wiederholen, sondern vom Glauben und der Bibel her etwas „Neues“ oder „Anderes“ zu sagen haben. Im Blick auf den Klimaschutz können wir die Ängste der Menschen verstehen, die in den verzweifelten Aktionen der „letzten Generation“ sichtbar werden. Die Sorge um die Zukunft treibt viele um. Aus der Bibel hören wir dazu, dass wir Menschen die Aufgabe als Gärtner haben, die aus Liebe zur Schöpfung und zum Schöpfer mit unseren Mitteln zum Umweltschutz beitragen. Doch Jesus allein ist der „Bewahrer seiner Schöpfung“ (Kolosser 1, 17). Zu meinen, wir Menschen könnten die komplexen Zusammenhänge von Wind, Wetter und Klima steuern, ist deshalb aus Sicht der Bibel Überforderung, ja Selbstüberhebung. Gleichzeitig werden wir motiviert zur Tat: Jesus sendet seinen Geist, den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit. Der Kirchentag bietet reichlich Möglichkeiten, um diesen Geist zu bitten, diesen Geist zu feiern und dabei die große Einladung Jesu zu hören: „Siehe, jetzt ist die Zeit der Gnade, siehe, jetzt ist der Tag des Heils!“ Gnade und Heil finden wir allein in Jesus Christus. Wunderbar ausgesucht ist deshalb auf dem Kirchentag die Geschichte „Jesus als Gast auf der Hochzeit zu Kana“. Ein Religionslehrer hat diese Geschichte einmal erzählt. Am Schluss fragt er: „Was haben wohl die Leute damals gedacht, als Jesus so viel Wasser in Wein verwandelt hat?“ Ein Schüler meldet sich und sagt: „Die Leute haben sicher gedacht: Den laden wir auch mal ein!“ - Jetzt ist die Zeit.

 

Pfarrer Christoph Hillebrand, Dettingen

Sonntagsgedanke zu Pfingstsonntag, 27.05.2023

Einander verstehen – Verständnis finden

Gott lässt Menschen einander verstehen. Pfingsten ist das Fest des Heiligen Geistes, der das bewirkt. Damals in Jerusalem waren es Leute aus vielen verschiedenen Völkern und Volksstämmen. Sie alle hörten die Freunde von Jesus in ihrer eigenen Muttersprache reden. Sie konnten verstehen, was die von Gottes Geist erfüllten Apostel in ihrem galiläischen Dialekt erzählten. Sie hörten von Gottes Liebe und Vergebung, von der Auferstehung zum neuen Leben mit Jesus Christus. Ein Wunder, dass alle es verstehen - nicht nur beim Hören, sondern auch mit Zustimmung im Herzen. Gottes Geist macht das möglich.

Wunder wiederholen sich aber nicht ständig. Sie wollen als Zeichen Gottes verstanden werden, worauf es ihm ankommt. Wir Menschen sollen und dürfen dem Geist Gottes den Weg bereiten. Wir sind also gefragt, alles zu tun, damit Kinder und Jugendliche, Frauen und Männer, Ältere und Hochbetagte einander verstehen können.

Voraussetzung dafür, dass wir einander verstehen, ist dabei die gemeinsame Sprache. Bemühen wir uns noch darum? Werden inzwischen nicht eher ständig neue Begriffe eingeführt oder vertraute Namen in Frage gestellt: „austragender Elternteil“ statt „Mutter“, um nur das für mich schlimmste Beispiel zu nennen?

Echtes Verständnis zu finden, erscheint noch schwieriger. Schon lange wird herausgestellt, wie schwierig Verständigung überhaupt ist. Damit ist sicher richtig beobachtet, dass es nicht immer leicht ist, zu erfassen, was ein anderer Mensch wirklich meint. Aber kann man da ernsthaftes Bemühen feststellen? Oder interpretieren wir nicht in unserer Gesellschaft viel zu oft geradezu böswillig die Aussagen anderer in eine falsche oder anstößige Richtung? Vom Ziel des achten Gebots, wie es Martin Luther erklärt, sind wir dabei weit entfernt, wenn er Gottes Erwartung damit beschreibt, "dass wir unseren Nächsten nicht verleumden oder seinen Ruf verderben, sondern ihn entschuldigen, Gutes von ihm reden und alles zum Besten kehren“.

Wir sind auf eine gemeinsame Sprache angewiesen und darauf, dass wir untereinander Verständnis finden. Wir müssen wieder lernen, uns in den Mitmenschen wenigstens ein Stück weit hineinzuversetzen und begreifen lernen, was der andere denn – positiv – meinen könnte. Dazu wünsche ich uns Gottes Geist, der dazu bewegt.

Um den Glauben zu erfassen und zu verstehen, ist das Pfingstwunder sowieso absolut nötig. Denn ohne den Heiligen Geist kann sich niemand zu Jesus Christus bekennen. Gottes Geist lässt die Zustimmung im Herzen dazu wachsen – und dann finden wir Verständnis und neues Leben bei Gott. Darum stimme ich an Pfingsten so gerne in die Bitte zum Festtag ein: Komm, Heiliger Geist! Geist!

Pfarrer Dr. Harry Jungbauer, Schuldekan

Sonntagsgedanke, 21.05.2023

Sorgenfrei

4:56 Uhr. Ich liege wach im Bett. Kann nicht schlafen. Meine Gedanken kreisen. So viele Dinge liegen mir wie Steine auf der Seele. Der Streit von gestern, der ungeklärt und unversöhnt geblieben ist. Der Stapel Rechnungen auf meinem Schreibtisch. Die To-Do-Liste, die jeden Tag wächst, statt kleiner zu werden. Die Menschen, bei denen ich mich dringend zurückmelden muss. Die Kopfschmerzen, die ich nicht einordnen kann, aber die immer öfter auftauchen… Gefangen in meinen Sorgen liege ich da und starre die Decke an.
Plötzlich höre ich etwas: Zartes Vogelgezwitscher bahnt sich durch die geschlossenen Fenster einen Weg an mein Ohr. Es ist Morgen! Ach, wenn ich doch auch so frei und sorglos sein könnte, wie die Vögel vor meinem Fenster! Dann könnte ich den neuen Tag auch so fröhlich begrüßen. Wie machen die das bloß?
„Seht die Vögel unter dem Himmel an: Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel kostbarer als sie?“ (Matthäus 6,26) Jesus hat das gesagt. Ein schöner Gedanke, finde ich: Mein Vater im Himmel sorgt für mich, weil ich für ihn so kostbar bin. Zu schön um wahr zu sein?
Wenn ich in der Bibel lese, stoße ich oft auf Aufgaben und Gebote, nach denen ich mich richten soll. Zwei Aufgaben aber sind allein Gott vorbehalten: Richten und Sorgen. Über mich und andere zu richten, kann ich getrost Gott überlassen – genauso wie das Sorgenmachen. Es ist seine Aufgabe, für mich zu sorgen – wie ein himmlischer Vater. Da bleibt mir nur noch, mich mit all den Steinen auf meiner Seele Gott anzuvertrauen. Die Vögel haben mich heute Morgen daran erinnert: Ich bin kostbar für Gott! Er sorgt für mich. Vielleicht hilft es mir dabei, heute ein Stück sorgenfrei zu leben.

Larissa Hopp, Pfarrerin der Ev. Kirchengemeinde Mergelstetten

 

Sonntagsgedanke, 07.05.2023

Der 1. FCH ist nach den Spielen der vergangenen Wochen dem Aufstieg in die 1.Bundesliga nahe – nicht nur ich, sondern viele aus Heidenheim und Umgebung verfolgen die Entwicklung gespannt. Man könnte Fußball natürlich als Ersatzreligion bezeichnen: Menschen pilgern regelmäßig ins Stadion, wo sie sogar freiwillig singen. Doch es gibt nicht wenige Fans genauso wie Sportlerinnen und Sportler, die Christen sind. Ein bekannter Fußballer ist der in Göppingen geborene Jürgen Klinsmann. Er ist seit diesem Jahr Nationaltrainer in Südkorea. Als Fußballnationalspieler und Mannschaftskapitän wurde er 1990 Weltmeister und 1996 Europameister. Er sagte, als er auf seinen Glauben angesprochen wurde:

Der Glaube an Gott ist enorm wichtig und gibt uns Kraft, Halt und Orientierung.“

Das bekannte er 2006, als er bereits zwei Jahre deutscher Bundestrainer war. Jemand wie Klinsmann hat viel Erfahrung mit Erfolg ebenso wie mit Niederlagen. Im Fußball ist es wie im Leben: Es ist schön zu gewinnen und erfolgreich zu sein, doch es gibt auch die anderen Situationen. Unentschieden geht ja noch, aber Niederlage ist schmerzhaft. Da hilft der Glaube, er gibt „Kraft, Halt und Orientierung“. Denn bei Gott werden wir nicht auf unseren Misserfolg festgelegt. Christen leben in dem Glauben, Gottes geliebte Kinder zu sein. Wir müssen uns nicht über die eigenen Leistungen definieren. Die Taufe gibt uns den Rückhalt: Gott lässt uns nicht fallen, wenn wir nicht top in Form sind oder gar versagen; so wie gute Fans zu ihrer Mannschaft halten, auch wenn sie verliert. Das Vertrauen in Gott und in die Gemeinschaft der Mitgetauften gibt Kraft – gerade auch in schweren Zeiten. Menschen, die aus dem Glauben leben, helfen sich gegenseitig und geben sich Orientierung – wie in einem guten Team.

In dieser Saison hat sich der 1. FCH mit seinem Trainer als gutes, ja sehr gutes Team präsentiert. Ich wünsche dem Verein für die Zukunft alles Gute und uns allen das Vertrauen in Gott, der uns sowohl bei Erfolg als auch bei Misserfolg trägt und hält.

Anne-Kathrin Kapp-Kleineidam
Pfarrerin in Schnaitheim und Königsbronn

Sonntagsgedanke, 23.04.2023

„So höret diesen Witz …“

Am Ostersonntag Nachmittag hat sich Jesus einen Spaß erlaubt. Zwei seiner Jünger waren auf dem Weg nach Hause, tief enttäuscht und traurig, weil Jesus gestorben ist. Dass sie frühmorgens von ein paar Frauen geweckt worden sind, die behauptet haben, sie hätten Jesus gesehen, hat ihre Laune nicht verbessert: „Verrückte Weiber!“

Jesus hat am Straßenrand gesessen, als sie vorbeigekommen sind, und hat gefragt, ob er mitgehen darf. Die beiden haben ihn nicht erkannt – wie auch, er war ja gestorben. Sie haben missmutig genickt und sich weiter unterhalten. Bis der Unbekannte gefragt hat: „Worüber sprecht ihr eigentlich?“

„Bist du der Einzige, der nicht mitbekommen hat, was vor drei Tagen in Jerusalem geschehen ist?“

Darauf Jesus: „Was denn?“ Und er hat sich in allen Einzelheiten seine eigene Geschichte erzählen lassen, wie man ihn gekreuzigt und begraben hat. Und von den verrückten Weibern, die behauptet haben, sie hätten ihn lebend gesehen.

Jesus hat sich einen Spaß mit den beiden gemacht. Bis denen irgendwann die Augen aufgegangen sind und sie gemerkt haben, wer da mit ihnen unterwegs war.

Typisch für Jesus. So war er schon, bevor er gestorben ist. Und danach offenbar gleich wieder: witzig, ironisch und von genialer Schlagfertigkeit. Beim Bibellesen merkt man das nicht zwangsläufig. Denn Witz und Schlagfertigkeit lebt von einer ganz bestimmten Situation. Und so eine Situation ist einmalig – live.

Etwa, als Jesus Ärger mit einem sehr strengen Gläubigen hatte. „Warum gehst Du mit diesem Zöllner zum Essen? Ich weiß doch, wie gottlos der ist! Mit eigenen Augen sehe ich es jeden Tag!“

Darauf Jesus: „Ach, wenn dich deine Augen so ärgern, dann reiß sie doch aus! Dann hast du Ruhe.“

Und der mit so heiligen Ernst gewettert hat, ist aus dem Tritt gekommen. Die anderen haben gelacht. Vor allem haben die gelacht, die unter so strenggläubigen Vorwürfen immer kleiner geworden sind. Für die Gedemütigten war der Witz von Jesus eine Erlösung.

In der Bibel ist nur der eine Satz von Jesus überliefert („Wenn dich dein Auge ärgert, reiß es aus“). Nicht aber die Situation. Die Evangelisten haben den Satz dann in einen Zusammenhang gestellt, wo wir uns beim Lesen überlegen, ob Jesus tatsächlich will, dass wir uns die Augen ausreißen (Markus 9, 47). Das tut natürlich niemand. Genau deshalb glaube ich, dass der Satz beim originalen Jesus etwas ganz anderes war – ein ironischer Witz, auf Kosten eines Strenggläubigen. Aber nicht gehässig, sondern vielleicht die einzige Möglichkeit, den Strengen spüren zu lassen, wie absurd seine Rechthaberei ist.  Und vielleicht die einzige Möglichkeit, den Opfern seiner Rechthaberei ihre Würde zurückzugeben.

Jesus war nicht arrogant. Wenn man sich so auf Ironie versteht, sieht man auch sich selbst mit einem Augenzwinkern, kann auch über sich selbst lachen. Jesus war auch kein Komiker. Doch für ihn haben sich Lachen und Tiefgründigkeit wunderbar verbunden.  

Und ich glaube, wir heutige Christen können ohne Sinn für Humor nicht wirklich verstehen, was Jesus wollte. Humor bedeutet, dass man nicht alles so furchtbar ernst nimmt. Vor allem nicht sich selbst.

Durch seinen Witz hat Jesus die einen entwaffnet und die anderen miteinander verbunden. Und hat den Lasten des Lebens etwas von ihrer Schwere genommen. Denn ohne Humor ist das Leben schwer zu ertragen. Wo wir auf die Spur des ironischen Jesus kommen, merken wir, dass Humor ein Aspekt von Gottes Herrlichkeit ist.

Pfarrer Michael Rau
Evangelische Kirchengemeinde Herbrechtingen

Sonntagsgedanke zu Ostersonntag, 09.04.2023

Mehr Mut zu Ostern

„Die Kirche sollte aufhören, solche Märchen zu erzählen.“ Er hatte mit sich gerungen, ob er mir das so sagen soll. Nun war es heraus. Erleichtert sah er nicht aus. Schließlich hört ja die Kirche nicht auf ihn. Und ich?

„Welche Märchen, meinen Sie, erzählt denn die Kirche?“ „Na, das Ganze mit der Auferstehung und dass der Tod besiegt sei. Alles Unsinn. Predigt doch lieber Nächstenliebe und Hilfsbereitschaft.“ Damit endete das Gespräch.

Wenn morgen die Glocken zum Osterfest in die Kirchen einladen, wird mancher, der ebenso denkt, nicht dabei sein. Die Botschaft, dass Jesus, der gekreuzigt wurde, von den Toten auferstand, wird weiterhin verkündet. Aber sie ist auch mehr als ein Märchen. Nirgendwo wird beschrieben wie das geschehen ist. Kein Grab bricht auf, keine Lichtgestalt erhebt sich aus der Gruft. Statt dessen ist das Letzte, das der Tod übrig lässt, der Leichnam, nicht mehr da. Erzählt wird vom Entsetzen der Menschen, die das entdeckten. Eine Frau, der dieser Jesus viel bedeutete, sah ihn für Momente. Das kann man bezweifeln. Oder da fängt Glauben an. Widerlegen kann man es nicht.

Dennoch bleibt die Auferstehung rätselhaft und übersteigt alles Denken und Fühlen.

Das ist es, ahne ich, das hinter der Ablehnung meines Gesprächspartners steht. Dass in großen Teilen das Glauben-Können verloren gegangen ist.

Was wahr ist oder falsch, wird von engen Regeln begrenzt. Wenn ich akzeptiert werden will, halte ich mich daran. Aber das gab es schon immer.

Geändert hat sich vielleicht, dass inzwischen Vieles in der Welt ist, das meinen Verstand übersteigt. Dass Lebensgewohnheiten sich ändern müssen, weil wir sonst das Klima in die Katastrophe führen. Dass Krieg wieder möglich geworden ist und mich betrifft. Dass Epidemien alles lahm legen. Alles hört sich chaotisch an. Da muss ich mich nicht auch noch mit der Vorstellung der Auferstehung eines Toten befassen.

So könnte es der Mann mit seiner schroffen Ablehnung in unserem Gespräch gemeint haben.

Aber zum Glauben gehört auch Mut. Der Mut, Ostern an die erste Stelle zu setzen, vor alles andere. Denn ist es nicht vielmehr so, dass dieses Geschehen, das die Welt aus den Angeln hebt, Vieles in ihr neu einordnen lässt? Tode sterben wir jeden Tag, mit jeder schlechten Nachricht. Mit dem Verlust von Menschen, die uns das Liebste waren. Mut kostet es zu sagen: Es gibt etwas darüber hinaus. Es gibt das Unvorstellbare. Gott gibt uns dem Untergang nicht preis. Es gibt die Auferstehung. Dieser Glaube macht es möglich, auch und gerade in unserer Welt von heute zu überleben und Kraft zu finden, das Richtige zu tun.

 

Frank Bendler
Pfarrer in der Auferstehungskirchengemeinde Heidenheim

Sonntagsgedanke, 02.04.2023

Die heutige Tageslosung: Ich will ihr Trauern in Freude verwandeln und sie trösten und sie erfreuen nach ihrer Betrübnis (Jeremia 31,13) hat mich sehr nachdenklich gestimmt….

Die Zeilen des Propheten Jeremia, der um 647 v.Chr. geboren wurde, gehören zu einer ganzen Reihe von Ankündigungen. Dass das Volk Israel wieder in seine Heimat zurückkehren darf und eine 70 Jahre währende Zeit der Gefangenschaft, des Leids und der Deportation zu Ende geht. Diese Nachricht darf er den Israeliten bringen, nachdem er sie viele Jahre vor Gottes Zorn warnen und zur Umkehr bewegen sollte. Das Kapitel lesen lohnt sich.

Jeremia war nicht unbedingt begeistert von seinem prophetischen Auftrag. Er wusste um die Schwere einer solchen Aufgabe. So sagte er gleich zu Beginn: „Ach, Herr, Herr! Siehe, ich weiß nicht zu reden, denn ich bin jung" (Jer 1,6). Und er hatte Recht damit; ihm wurde oft kein Glaube geschenkt, Viele, die seine Botschaft hörten, ärgerten sich. Jeremia wurde bekämpft, beschimpft, verlacht, verfolgt, gefoltert und eingekerkert.

Doch Gott ändert seinen Plan nicht.

Im Gegenteil: Gott sucht sich gern Leute aus, die nicht viel von sich selbst halten, wie damals Mose, oder solche, von denen die Menschen nicht viel halten, wie David. Der wäre nach heutiger Wahrnehmung wohl ein Extremer.

Ich frage mich, wie ist das heute bei uns? Haben wir auch solche Propheten unter uns? Und was würden wir tun, wenn es sie gäbe? Die Frage kann ich nicht ehrlich beantworten. Oft hindern mich meine eigene Sattheit und Bequemlichkeit am ehrlich kritischen Blick auf unsere Welt.

Aber ich kann wahrnehmen, dass es Menschen gibt, die unsere Gesellschaft besser und gerechter machen und verändern wollen.

Menschen, auch junge, wie Jeremia, die bereit sind in unserem Land Verantwortung zu übernehmen. Und gerade sie erfahren oft einen eben solchen Gegenwind, wie damals Jeremia, der sich seiner von Gott gegebenen Aufgabe gestellt hat.

Ich denke an ihren täglichen Kampf für UNS. Ich denke an Menschen, mit politischem Verantwortungsbewusstsein, Menschen in sozialen und medizinischen Berufen, an Bürgermeister und an Menschen, die im Ehrenamt um den Erhalt der Menschenwürde für ihre Patienten, Klienten, Nachbarn und für unsere Umwelt kämpfen.

Vielleicht, wenn wir diesen Menschen aufmerksamer zuhören, mit ihnen ins Gespräch gehen und mit unseren Möglichkeiten unterstützen, können wir in unserem Land den sozialen Frieden erhalten.

Und dann spüren wir vielleicht IHN in unserem Tun. Nämlich indem wir Freude erleben und weitergeben, indem wir trösten und selbst Trost erhalten. Dann können wir möglicherweise, wie damals die heimkehrenden Israelis, in diesem Tun und Empfangen, hören, wie ER zu uns spricht:

Ich will Euer Trauern in Freude verwandeln und Euch trösten und Euch erfreuen nach Eurer Betrübnis.

Einen schönen Sonntag wünscht Ihnen und Ihren Lieben
Frank Rosenkranz

Sonntagsgedanken, 12.03.2023

Liebe Leserinnen und liebe Leser!
So wenig wie ich müssen Sie der lateinischen Sprache mächtig sein, um dem Namen für den heutigen Sonntag auf die Spur zu kommen. Okuli, so der Name des 3. Sonntags in der Passionszeit. Richtig, er hat etwas mit unserem Auge zu tun und an diesem Sonntag werden wir gefragt: Worauf richten wir unsere Augen? Wohin geht mein Blick? Davon hängt oftmals ab, wie sich mein Alltag gestaltet. Kann ich erwartungsvoll nach vorne schauen, in diesen Tag, in die neue Woche? Sicherlich werde ich anders unterwegs sein, wie wenn ich mich ausschließlich mit Sorgen und Ängsten auf den Weg mache. Okuli – „Meine Augen sehen stets auf den Herrn“, so weiß es der König David zu sagen, dem dieses Wort aus Psalm 25 zugeschrieben wird. Er sagt es in einer Lebenssituation, in der er angefeindet wird und auch in der er selbst erkennt: Es läuft nicht alles so rund, wie ich mich als Mensch wahrnehme im Gegenüber zu meinem Gott, aber auch zu den Menschen um mich herum.

Darum entscheidet er sich für einen Blickwechsel. Wie er nur sagen kann, dass er stets auf Gott sich ausrichtet? Mir wäre, so glaube ich, schon viel geholfen, wenn mir es immer wieder, dann und wann glücken würde diesen Blickwechsel auf Gott vorzunehmen. Mich für einen kurzen Moment herauszunehmen aus meinem Alltagsgetriebe. Ein Moment der Stille. Vielleicht ein kurzes Gebet, ein Stoßseufzer. Mir zu vergegenwärtigen, dass ich in diesem Blickwechsel derjenige und diejenige bin, die von Gott selbst angesehen ist. Er der mich sieht, ohne Vorwurf und ohne Vorbehalt, der mich kennt, so wie ich bin. Für mich ist das ein sehr tröstlicher Gedanke, kein beängstigender. Es gibt mir dann und wann neue Kraft, auch neuen Mut und Hoffnung mein Leben und meinen Alltag mit allem was ich bin zu gestalten und immer wieder zuversichtlich und fröhlich zu leben. Nicht „stets“, wie es vielleicht David gelungen ist – was ich nicht ganz glauben kann – aber dann und wann, immer wieder. Letztlich lebe ich davon, dass Gottes Augen mich ansehen. Von seiner Aufmerksamkeit, wie er sie mir gegenüber schenkt.

„Du bist ein Gott der mich sieht“! Darum schaue ich auf dich! Einmal am Tag in dieser Woche – das wäre sicherlich ein guter Anfang und auch ausbaufähig.

Ulrich Abele – Geschäftsführer der Evangelischen Erwachsenenbildung

Sonntagsgedanke, 26.02.2023

Der russisch-ukrainische Krieg geht schon über ein Jahr – kein Ende in Sicht. Das Erdbeben in der Türkei und Syrien – die Zahl der Toten steigt. Die höheren Preise spüren wir alle. Da und dort klemmt es, fehlt dies oder das. Auch wenn wir noch satt und sicher leben, es ist eine bleierne Zeit. Die Unbeschwertheit fehlt.

In früheren Zeiten hatten Ängste und Nöte dazu geführt, dass Menschen mehr nach Gott suchen. Diesmal bleibt dies aus. Haben wir zu lange gut gelebt und zu viele Menschen kennen die wohltuende Erfahrung nicht mehr, in der Not sich im Gebet an Gott wenden zu können? Oder sind wir schon zu lange nur noch mit uns selber beschäftigt, dass wir uns mit einem Gott als Gegenüber nicht mehr auseinandersetzen wollen, der nicht tut, was wir erwarten?

Im evangelischen Gottesdienst singen wir oft im Stehen am Schluss vor dem Segen dieses alte Lied von Martin Luther:

Verleih uns Frieden gnädiglich,
Herr Gott, zu unsern Zeiten.
Es ist doch ja kein andrer nicht,
der für uns könnte streiten,
denn du, unser Gott, alleine.

Jeder Mensch braucht zwei standhafte Beine, um im Gleichgewicht zu sein. Und so brauchen wir auch für unser Leben verlässliche Säulen, die uns Stabilität geben. Solche Standbeine können die Gesundheit sein, ein klarer Verstand, die Partnerschaft, Freunde, Familie, der Arbeitsplatz oder ein Hobby oder ein Ort, wo ich Ausgleich finde und zur Ruhe komme.

Manchmal bricht im Leben so ein Standbein weg. Und unsere Seele verliert ihr Gleichgewicht. Was kann mir wieder Halt und Zuversicht geben?

Für mich war immer eines der verlässlichsten Standbeine in meinem Leben mein Glaube an Gott. Es ist doch ja kein andrer nicht, der für uns könnte streiten, sagt Martin Luther. Und das ist auch meine Erfahrung: Ich mache nichts dadurch besser, wenn ich meinen Glauben an Gott wegwerfe.

Ja, manchmal verstehe ich die Wege, die Gott mir zumutet, erst im Nachhinein, und manchmal auch dann nicht. Es erschließt sich mir kein Sinn.

Aber es hilft mir gerade in schwierigen Zeiten, mich an Gott zu wenden und darauf zu hoffen, dass er mir auch dann hilft und einen Weg weiß, auf dem es weitergeht. Frieden in mir finde ich, wo ich meinen Frieden mit Gott finde.

Diese Erfahrung wünsche ich Ihnen in dieser bleiernen Zeit, dass unser Glaube an Gott ein nicht ersetzbares und wohltuendes Standbein für Ihr Leben ist.

Christoph Burgenmeister, evangelischer Pfarrer in Königsbronn.

Sonntagsgedanke, 12.02.2023

In meinem Garten haben die Schneeglöckchen schon ganz schön getrieben. Es fehlt nicht mehr viel, dann werden sie ihre Blüten öffnen. Und auch die Narzissen und Tulpen haben mit ihren ersten Blättern den Boden durchbrochen. Bald werden sie mich erfreuen mit ihren Farben und ihrem Duft.

In diesen Tagen habe ich folgenden Spruch gelesen: „Wo Gott einen ausgesät hat, dort muss man blühen“ (Gottfried Berron). Für eine Blume versteht sich das von selbst. Sie hat ja keine Wahl als dort zu wachsen, wo ihr Same auf die Erde gefallen ist oder ihre Blumenzwiebel in den Boden gesteckt wurde.

Für uns Menschen ist das nicht so selbstverständlich. Uns bieten sich oft verschiedene Möglichkeiten. Ausbildung, Beruf, Wohnort, Ehepartner sind nicht vorherbestimmt. Wenn aber die wichtigen Weichenstellungen erst einmal hinter mir liegen, wenn ich verwurzelt bin, dann kommen irgendwann die Fragen und Zweifel: Wäre es anderswo nicht besser und schöner? Könnte ich mich an anderer Stelle nicht besser entfalten und aufblühen? Würde mich ein anderer Beruf, eine andere Arbeitsstelle nicht mehr ausfüllen? Wäre ich mit einem anderen Partner nicht viel glücklicher?

Wer aber immer nur in Gedanken wo anders ist, der nimmt gar nicht wahr, was ihm an seinem Platz geschenkt ist.

Für mich dreht dieser Spruch die Perspektive um: Ich soll dort blühen, wo Gott mich ausgesät hat, soll mithelfen, diesen Ort schöner und lebenswerter zu machen. Es geht also nicht nur darum, dass ich den besten Platz für mich finde, sondern dass ich den Platz annehme, an den Gott mich stellt. Dass ich dort ein Segen bin für andere.

Wie können Sie in ihrem Umfeld blühen und duften und so Hinweisgeber sein auf Gott, unseren Schöpfer? Ich glaube, es gibt unzählige Möglichkeiten: Ich nehme mir Zeit und höre zu, lese Kindern oder Enkeln eine Geschichte aus der Kinderbibel vor, schreibe eine ermutigende Karte, sage ein Danke an Gott, mache einen Besuch.

Letztlich gibt es glaube ich kein größeres Glück als sich in den Dienst unseres Schöpfers zu stellen und damit Teil von Gottes großem Plan zu sein. Ich wünsche Ihnen erquickende Erfahrungen beim Aufblühen und Duften an Ihrem Platz.

Hanna Wißmann, Pfarrerin in Mergelstetten

Sonntagsgedanke, 30.01.2023

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Selig sind, die Frieden stiften, denn sie werden Kinder Gottes heißen! (Matthäus 5, 9)

In dieser Woche, in der entschieden wurde, Kampfpanzer in das Kriegsgebiet der Ukraine zu liefern, lag ein Erinnerungstag, der wichtig ist für die europäische und insbesondere die deutsche Geschichte. Ich spreche vom recht jungen Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, der 1996 vom damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog angeregt wurde und seitdem in den Kalendern steht. Das Datum des Gedenktages, der 27. Januar, bezieht sich auf die Befreiung des Konzentrationslagers Ausschwitz. Am Morgen des 27. Januar 1945 hatten die ersten Soldaten der Roten Armee am Ende des Zweiten Weltkrieges das Vernichtungslager Auschwitz III Monowitz erreicht. Es ist kein Zufall, dass dieser längst überfällige Tag des Erinnerns an die Millionen Ermordeten und Verfolgten, an Juden, Sinti und Roma, an Menschen mit Behinderung, denen das Recht auf Leben abgesprochen wurde, gerade in dem Jahrzehnt nach dem Mauerfall und dem Ende des Eisernen Vorhangs eingeführt wurde. Mit dem Gedenken an die Opfer eines mörderischen Regimes, an Männer und Frauen des Widerstandes, an Homosexuelle, an Künstler und Wissenschaftler, verband sich auch die Hoffnung auf eine tiefere Freundschaft zwischen den Ländern des Westens und den Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Es gab viel zu viele Opfer, zu denen im Übrigen auch Kriegsgefangene und Deserteure gehörten.

Ich kann mich der Erinnerung an die schuldhafte Geschichte unseres Landes nicht stellen, ohne dass sich der Satz Jesu aus der Bergpredigt tief in mein Gewissen einbrennt: Selig sind, die Frieden stiften, denn sie werden Kinder Gottes heißen! Jesus hat sich der friedlosen Wirklichkeit seiner Zeit entgegengestellt und denen Heil versprochen, die Frieden wirken. Im Moment dreht sich eher die Eskalationsspirale und wir folgen einer verhängnisvollen Kriegslogik. Nach den Helmen kamen Panzerfäuste und Haubitzen, dann Schützenpanzer und jetzt schließlich Kampfpanzer.

Wenn Kindern auf Zeitungsseiten die Vorzüge schwerer Kampfpanzer vom Typ „Leopard“ erklärt werden, halte ich das für mehr als bedenklich. So schlecht waren die Zeiten nicht, als Kriegsspielzeug aus den Kinderzimmern verbannt war. Denn Kinder sollen eigentlich das andere lernen: die gegnerischen Interessen verstehen, Konflikte friedlich beilegen und nach einem Streit auch wieder Hände reichen. Frieden stiften, eben! Kinder wieder an Krieg zu gewöhnen in einem Europa, das sich sehr lange auf die Fahnen schrieb: „Nie wieder Krieg!“, halte ich für gefährlich. Auch wenn ein anderer angefangen und den Krieg vom Zaun gebrochen hat.

Manche denken ja, mit der Bergpredigt lasse sich keine Politik machen. Mir kam eine Predigt meines im letzten Jahr verstorbenen theologischen Lehrers Eberhard Jüngel zu Jesu Seligpreisung der Friedfertigen in den Sinn. Jüngel, 1934 in Magdeburg geboren, wuchs in der damals sogenannten Ostzone auf und wirkte anfangs in Ostberlin, später in Zürich und Tübingen. Er kannte also während des Kalten Krieges beide Blöcke aus eigener Anschauung. Hier seine Gedanken zum Friedenswort Jesu in der Bergpredigt: 1. Jesus mutet uns eindeutig zu, jetzt Frieden zu wirken. 2. Jesus mutet uns damit zu, jetzt Nein zu sagen gegen jeden Versuch, einen Krieg zu verherrlichen. 3. Jesus mutet uns damit zu, jetzt Nein zu sagen gegen jeden Versuch, den Willen zur Macht mit der Etikette des Friedens zur Geltung zu bringen.   4. Jesus mutet uns dabei zu, jetzt unbedingt ehrlich und gewissenhaft zu sein. 5. Jesus mutet uns dabei zu, jetzt auf Gottes Heil mehr zu vertrauen als auf die Drohungen von Menschen.

Pfarrerin Iris Carina Kettinger, Evang. Auferstehungskirchengemeinde Heidenheim

Sonntagsgedanke, 15.01.2023

Wein of Change

Wasser wird zu Wein: in diesem Wunder auf der Hochzeit zu Kana erweist der Meister seine Vollmacht und offenbart die Herrschaft und Herrlichkeit seines Vaters (Joh. 2).

Ja, um Wandlung und Verwandlung geht es bei Jesu erstem Zeichen auf der Hochzeitsfeier zu Kana: Dass der Wein ausgeht, könnte die ganze Fest-Freude trüben. Von seiner Mutter Maria gebeten, rettet er das Fest: Aus kaltem Wasser wird der erlesenste griechische Wein, aus Empörung und Chaos wird Freude und Sinn.

Auf ein Wunder und Zeichen hoffen auch die Hebräer, die in der Wüste und Dürre nach Gottes Hilfe rufen. Wo ist er – für sie - in dieser schwierigen Zeit nach dem Auszug aus Ägypten? Für heute gesehen, wo ist er in dieser schwierigen Zeit für die Menschen in der Ukraine? Wer verwandelt Tod und Leid in Freude und Geborgenheit ? Warum ist ihnen Gottes Herrlichkeit noch verborgen ? Die Menschen in der Ukraine erleben eine Zeit der Wüste und der Verwüstung und rufen unerbittlich, dass der Pharao im Kreml sie doch in Ruhe lassen möge. Ja der bekannte Gospel “let my poeple go” werde vom himmlischen Verwandler erhört. Diejenigen, die in Leid und Krankheit nach ihm suchen und nach seinem Willen leben wollen seine Fülle spüren und erleben.

Dieses Thema führt mich zum Singen und durchaus auch zur Fürbitte. Herr der Änderungen, der du Wasser verwandelst in Wein, verwandle die Freudlosen, die es sich und andern schwer machen. Verwandle Sie! Bring ihnen das Lachen bei. Für die Mitmenschen, die nur nach Müssen und Sollen fragen: Schenke ihnen ein weites Herz. Laβ sie wahre Freiheit schmecken. Für die Politiker deren Herz leider erkaltet ist: Hilf ihnen, ihren Gefühlen Raum zu geben. Hilf ihnen zur Fülle des Lebens. Für die, die im täglichen müde werden, stärke sie und öffne ihre Augen für die kleinen “Kanas” des Alltags. Hilf, dass sie das fröhliche Genießen und Feiern neu lernen. Für deine Kirche, die oft alt und freudlos erscheint, befreie sie aus ihrer Erstarrung. Gib ihr deinen Wein of Change.

Gilbert Greiner
Pfarrer in Söhnstetten / Steinheim Nord

Sonntagsgedanke, 06.01.2023 - Heilige Drei Könige

Ist Ihnen schon wieder zum Feiern zumute?
Oder erholen Sie sich noch von den Festen an Weihnachten und Silvester?

Nicht dass Sie mich missverstehen: Ich finde Festzeiten schön. Aber feiern können wir doch nur von Herzen, wenn klar ist, was wir feiern oder warum.

Das heutige Fest mit dem griechischen Namen Epiphanias gilt bloß in drei deutschen Bundesländern als gesetzlicher Feiertag. Außer in Württemberg ist noch in Bayern und in Sachsen-Anhalt am Erscheinungsfest arbeitsfrei. Schulfrei ist ja am Ende der Weihnachtsferien sowieso meistens noch.

Ich bin in Norddeutschland aufgewachsen und kannte das Erscheinungsfest nicht, obwohl ich in einem Pfarrhaus groß geworden bin. Und auch dem katholischen Brauchtum bin ich als Kind nicht sehr oft und nicht sehr intensiv begegnet. Ich kann mich nicht erinnern, dass jemals Sternsinger an unsere Tür gekommen wären. Aus heutiger Sicht eigentlich schade.

In Württemberg haben wir diesen Feiertag, und ich frage noch einmal: Feiern Sie?

Ich freue mich auf die Sternsinger, ich freue mich auf den Segensgruß, der sich hinter dem Kürzel an der Tür verbirgt. Ich wünsche mir, dass dieser Segen für mein Zuhause auch im Jahr 2023 erneuert wird.

Und ich freue mich, wenn Kinder sich dafür engagieren, mit ihrer Aktion Spenden zu sammeln für ein jährlich neues Projekt in einem Teil der Welt, wo Menschen das sehr dringend brauchen. Wie schön, dass die Sternsinger das tun!

Als Theologe weiß ich natürlich auch von den anderen Inhalten, die dieses Fest hat: Dass Gott uns erscheint wie ein helles Licht mitten in der Dunkelheit, dass Gott als Kind in der Krippe gegenwärtig ist sogar hier mitten unter uns, und dass es wichtig ist, in diesem Säugling nicht nur einen holden Knaben im lockigen Haar zu erblicken, sondern den leuchtenden Schein der Hoffnung, den unsere Welt so dringend braucht. Alles das weiß ich. Und es berührt mich auch, wenn ich singe „Jesus ist kommen, Grund ewiger Freude“. Ob dies zu einem Licht werden kann, das sich ausbreitet? Ich wünsche es Ihnen und ich wünsche es mir an diesem 6. Januar des Jahres 2023.

Bernhard Philipp, Pfarrer in Nattheim und Fleinheim-Dischingen

Sonntagsgedanke, 24.12.2022, Heiligabend

„Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids.“

(Aus der Weihnachtsgeschichte nach Lukas 2)

Wann hätten wir die Botschaft des Weihnachtsengels nötiger gehabt als in diesem Winter? Im verklärten Rückblick möchte uns fast scheinen, die Welt sei vor drei Jahren eine heile gewesen. Da trat – wie aus dem Nichts – die Pandemie ihre Schreckensherrschaft an und hielt uns in Atem, oder nahm uns denselben. Noch ist die Seuche nicht überwunden, da steht uns mit einem Mal der Krieg ins europäische Haus. Getrieben durch galoppierende Energiepreise, erleben wir einen atemberaubenden Wettlauf der Kostensteigerungen. Eine warme Stube wird zum Luxusgut. Kohle wird verfeuert, wie noch nie und auf dem Weg zu den gesteckten Klimazielen geht uns längst die Luft aus. „Die Zeit ist aus den Fugen“ – keine Frage. Doch welcher Zimmermann wäre im Stande, die auseinanderfallenden Teile neu zu verleimen?

Sind es diejenigen, die sich in dieser schlimmen Lage für die „letzte Generation“ halten und sich, in ihrem Drang Gehör zu finden, am Ort bürgerlicher Anbetung festkleben: in Museum und Philharmonie? Tempelschändung erfährt seit alters größtmögliche Anteilnahme. Als die wahren Götter – Handel und Verkehr – endlich ausgemacht sind, haften die Demonstranten und die öffentliche Aufmerksamkeit an Straßen, Brücken, Landebahnen.

Keine Frage, wir hätten allen Grund uns zu fürchten. Doch die Botschaft des Engels lässt uns aufatmen. Cyriakus Schneegaß hat diese himmlische Freude ins Lied gebracht und weist uns den Ort, an dem wir mit Fug und Recht kleben mögen.

In dir ist Freude / in allem Leide, / o du süßer Jesu Christ! / Durch dich wir haben / himmlische Gaben, / du der wahre Heiland bist; / hilfest von Schanden, / rettest von Banden. / Wer dir vertrauet, / hat wohl gebauet, / wird ewig bleiben. Halleluja. / Zu deiner Güte / steht unser G'müte, / an dir wir kleben / im Tod und Leben; / nichts kann uns scheiden. Halleluja.

Dr. Joachim Kummer, Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde in Giengen an der Brenz

Sonntagsgedanke, 11.12.2022

Er räumt auf – endlich!

„Bereitet den Weg dem Herrn, denn er kommt gewaltig!“,  wird uns als Leitvers für die dritte Adventswoche zugerufen, werden wir mit Worten des Propheten Jesaja aus Kapitel 40 aufgerufen.
Wir, die wir fast täglich aufgefordert werden gerechte Verhältnisse zu schaffen, die Klimakiller beiseite zu räumen, mit anzupacken bei den gewaltigen Aufgaben, vor denen wir stehen!
Wie lange sollen wir denn noch warten – jetzt ist Zeit zum Handeln!
Da  hört sich gut an: Gott kommt gewaltig!
Wenn wir Menschen  diesen Aufruf nicht hören und im Alten verharren, dann soll Gott kommen, auch mal laut und endlich aufräumen! Für diesen Ruf nach einem starken Gott, der durchgreift und Recht schafft, scheint ja auch der Jesus zu passen, der auch mal laut wird und fast schon gewalttätig, als er im Tempel die Tische der Geldwechsler und Tempelopferverkäufer umwirft: Da hören wir wie Holz splittert, Münzen auf den Steinboden schäppern und Menschen schreiend und wütend umherlaufen. Endlich bekommen wir mal einen Jesus zu sehen, der nicht nur empathisch für die Schwachen und Außenseiter da ist, sondern der auch mal draufhaut und sagt, was Sache ist.
Und worauf legt er den Finger? Was soll verwandelt werden?

„Mein Haus soll ein Ort des Gebetes sein –  Ihr aber habt eine Räuberhöhle daraus gemacht!“ Darauf legt Jesus den Finger: Wo der Mensch nicht mehr vor Gott kommt, verliert er sich, verliert er seine Würde und die des Nächsten mit aus dem Blick!
Wo der Mensch nicht mehr hört: Ich habe Dich wunderbar gemacht! Da  steht er in Gefahr sich größer oder kleiner zu machen, als er ist. Im Gebet vergewissern wir uns, wer wir als Mensch sind: Beschenkte, die in ihrer Vielfalt etwas von der Schönheit Gottes widerspiegeln dürfen – gewaltig!
Im Beten kommt auch der Verirrte Mensch vor Gott, weil ihn Gott ruft: Adam(Du von der Erde Gemachter, Du Verletzlicher), wo bist Du?  Übernimm Verantwortung, frag: Wie sollen wir leben? Wie finden wir Zukunft?
Versteck Dich nicht, drück dich nicht, wenn es darum geht, das Gute zu suchen.

Beten – weit weg vom: Gott mach mal Du! „Ein lebendiges und lebhaftes Hören und Reden(auch schwäbich) des Herzens mit Gott, aus dem Gutes entsteht, größer und gewaltiger, als wir bitten und verstehen!“
Dass unsere Welt ein Haus wird, wo Gott gerne wohnt, wo - wie ein Beter es ausdrückte - Gerechtigkeit und Friede sich küssen. Diesem gewaltigen Advent gehen wir entgegen.
Fangen wir an, uns dafür zu öffnen,  betend und singend mit dem Wochenlied „Mit Ernst o Menschenkinder“ EG 10, Strophe 2: „Bereitet doch fein tüchtig, den Weg dem großen Gast; macht seine Stege richtig, lasst alles was er hasst; macht alle Bahnen recht, die Tal lasst sein erhöhet, macht niedrig, was hoch stehet, was krumm ist gleich und schlicht.“

Thomas Völklein, Ev. Klinik-Seelsorger

Sonntagsgedanke, 27.11.2022 - 1. Advent

Adventszeit oder #notausgang.

Gerade angesichts der Krisen in dieser Welt warten wir auf Veränderung zum Besseren und wir sehnen uns nach Auswegen, ja Notausgängen! Klimakrise, Wirtschaftskrise, Ukrainekrieg….die Welt in der Sackgasse?! Aber auch Lebenswege sind nicht immer gerade – sie verlangen nach Notausgängen. Da gibt es zahlreiche Abzweigungen, die wir nehmen können und Zweifel, welche ans Ziel führen begleiten uns. Auf manche Wege werden wir gedrängt, obwohl wir nicht hin wollen. Viele von uns leiden darunter, dass sie auf ihren Lebenswegen in menschlichen Sackgassen angekommen sind. Es scheint nichts mehr weiterzugehen. In diesem krisengeschüttelten Jahr 2022 führt uns die Adventszeit vor Augen, dass diese ganze Welt auf den Notausgang aus den Belastungen dieser Zeit wartet und ihn so dringend braucht. Gemeinsam stemmen wir uns dagegen, aber es braucht mehr! Da sind die Sorgen um das finanzielle Auskommen um uns oder der Verlust des Arbeitsplatzes, eine wirtschaftliche Notlage, Seelennöte – Angst vor Krieg, Krankheit und politischer Unsicherheit. Und die bange Frage: Wo ist der Notausgang? Es geht scheinbar nicht mehr weiter! Und dann gibt es die persönlichen und individuellen Nöte: Menschen geraten auf Abwege, sind niedergeschlagen, werden von Traurigkeit und Kraftlosigkeit niedergedrückt  - manche leiden unter einer Sucht, sind abhängig, oder wollen aufgeben! Ich erinnere mich an einen schlichten Satz in diesen Tagen: „Gott gibt niemanden auf, er hat für dich einen Ausweg!“ „Denn mit dir kann ich Wälle erstürmen und mit meinem Gott über Mauern springen.“ Psalm 18, 30 – manchmalklingt das zu schön, um wahr zu sein, aber was für eine Zusage ist das mitten in den Unsicherheiten dieses Lebens?! Wie ein beleuchtetes Schild leuchtet die frohe Adventsbotschaft: Jesus, ist da – er ist der Notausgang!  Er ist einst ganz „heruntergekommen“ – ins Elend der Menschen, die Schwäche die Angst, das unruhige Beben der Herzen und das „Sich-Zersorgen“ – dort macht Gott seine Tür für uns in den Mauern am Ende der Sackgassen dieser Welt auf – Notausgang! Er erfüllt uns mit einer Kraft, die uns sogar, wie ein Stabhochspringer die höchsten Mauern überwinden lässt – mit meinem Gott kann ich über Mauern springen – In Jesus kommt Gott buchstäblich „zu uns runter“ und teilt mit uns unsere Not aber auch seine Möglichkeiten. Daran erinnern wir uns an Weihnachten und warten darauf im Advent. Die einfache Botschaft lautet: Jesus kommt wieder, und er ist jetzt schon bei dir um dem Hoffnungslosen Hoffnung und den Ohnmächtigen Kraft zu geben.“ Ist das nicht wunderbar? Für Gott gibt es keine Sackgassen! Im Gebet erfahren wir diese Wirklichkeit – nicht immer auf Knopfdruck, aber doch nach und nach. Ich selbst habe das auch schon immer wieder so erfahren dürfen. Als ich mit eigenen Möglichkeiten nicht mehr weiterkam, hat in letzter Minute Gott eingegriffen – gerade noch  rechtzeitig – denn er hat es versprochen und ihn darf ich beim Wort nehmen. Vielleicht stehen auch Sie heute in einer Sackgasse, dann möchte ich ihnen zusagen: „Gott hält fest an Dir, warte auf ihn, er kommt, hat Dich lieb!“ Und er hält an dieser Welt fest: Mit der Krippe hat Gott die Tür vom Himmel aus in die Welt geöffnet, durch die die Herrlichkeit Gottes zu uns strahlt! Er hat seinen Sohn Jesus Christus für in die Welt geschickt, dass wir hier und heute neues Leben finden. Wo wir durch diese Jesus-Tür in den Raum des Glaubens eintreten – liegen neue Möglichkeiten und Notausgänge am Ende unseren menschlichen Sackgassen! „Denn mit dir kann ich Wälle erstürmen und mit meinem Gott über Mauern springen.“ Psalm 18, 30 Vielleicht helfen uns die Worte Luthers zum vertrauensvollen Gebet, Worte, die er schon 1524 glaubensfroh singen konnte: „Dein Krippen glänzt hell und klar, die Nacht gibt ein neu Licht dar. Dunkel muss nicht kommen drein, der Glaub bleib immer im Schein.“

Herzliche Segensgrüße, Ihr Pfr. Steffen Hägele

Sonntagsgedanke, 16.11.2022 - Buß- und Bettag

Anhalten und Auftanken

Kennen wir das? Wir sind in Eile und haben keine Zeit zum Tanken. Spätestens wenn das Auto mit leerem Tank auf der Strecke bleibt, ist unsere Zeitersparnis dahin. Deshalb: Besser rechtzeitig die Zeit investieren zum Auftanken. Das gilt nicht nur für unsere Autos, sondern auch für unsere persönlichen Kraftreserven.

Der Buß- und Bettag heute ist ein solches Angebot für unsere inneren Tanks: Nimm dir Zeit und fülle deinen Energiespeicher wieder. Sicher ist der Name dieses Feiertages, der kein arbeitsfreier Tag (mehr) ist, für uns heute eher sperrig: Buße klingt eher nach übersehener Radarfalle und Beten scheint nur etwas für absolute Notfälle zu sein. Aber Buße heißt eigentlich: Anhalten auf meinem Weg und in Gottes offene Arme kommen. Beten bedeutet: Ich trete in Kontakt mit Gott – mit meinem Dank ebenso wie mit meinen Bitten, mit meinem Lob wie mit meinen Klagen. Damit ist dieser Tag der Tankstopp für unser Leben: Anhalten und zu Gott kommen.

Ich hole mir Kraft aus dem unendlichen Speicher des Schöpfers der Welt. Ich lasse mir von ihm Wege zeigen, wo ich selbst nicht weiterweiß. Ich überdenke im Horizont seiner Liebe, wie mein Leben bisher verlaufen ist und wie es weitergehen soll.

Selbstverständlich fällt ein Tankstopp beim unsichtbaren Gott oft schwer, weil der Zweifel an Gottes Kraft uns ständig begleitet. Aber was hindert uns, dieses Angebot trotzdem anzunehmen? Den Versuch zu machen, mit Gott in Kontakt zu kommen, wenn mein innerer Tank im roten Bereich ist? Es kann dadurch nur besser werden.

Nutzen wir also den Buß- und Bettag mit seinen Gottesdiensten heute Abend. Halten mitten in der Woche am Ende eines Werktages an. Sagen Gott, was uns freut und was uns belastet, holen uns bei ihm Kraft zum Weitermachen. Wie es der Psalmbeter sagt: „Bei dir ist die Quelle des Lebens und in deinem Lichte sehen wir das Licht.“ (Psalm 36,10)

Ulrich Erhardt, Evangelischer Pfarrer in Niederstotzingen

Sonntagsgedanke, 30.10.2022

Wenn wir einig sind…

Am Sonntag vor genau 17 Jahren wurde in Dresden ein großes Fest gefeiert: Der Wiederaufbau der Frauenkirche war abgeschlossen, und am 30.Oktober 2005 wurde die Kirche mit einem Festgottesdienst wieder als Gotteshaus geweiht – mehr als 60.000 Dresdner feierten mit, die meisten natürlich auf dem Kirchenvorplatz.

Zuvor war die Ruine der Frauenkirche jahrzehntelang Mahnmal gegen den Krieg mitten in der Dresdner Innenstadt. In der Nacht vom 13. auf den 14.Februar 1945 war die Kirche durch schwere Bombenangriffe fast vollständig zerstört worden. Der Dramatiker Gerhart Hauptmann sagte damals: „Wer das Weinen verlernt hatte, der hat es beim Untergang Dresdens wieder gelernt“.

1966 erklärte die Staats­führung der DDR die Ruine offiziell zu einem „Mahnmal gegen den Krieg“. Trotzdem war es für mutige Bürgerinnen und Bürger gefährlich, als sie gegen den Willen der Staatsführung am 13.Februar 1982 – dem Jahrestag der Zerstörung – an der Ruine der Frauenkirche zu einem stillen Gedenken gegen Krieg und Gewalt aufriefen. Damals wie heute beeindrucken sie mich: Menschen, die trotz staatlichem Druck gegen Krieg und Gewalt aufstehen und demonstrieren, damals in Dresden, heute in Russland oder im Iran.

Im November 1989 bildete sich eine Initiative zum Wiederaufbau der Frauenkirche. Als damals junger Erwachsener erlebte ich mit, wie der Wiederaufbau von einer weltweiten Welle der Solidarität unterstützt wurde – fast zwei Drittel der rund 180 Millionen Baukosten wurden durch Spenden aus der ganzen Welt finanziert. Auch hier in Sontheim kenne ich Menschen, die für die Frauenkirche gespendet haben.

Bei seiner Festrede am 30.Oktober 2005 sagte der damalige Bundespräsident Horst Köhler: „Ich wünsche unserem Land, dass die Dresdner Frauenkirche uns stets daran erinnern möge, was wir an Gutem zustande bringen können, wenn wir einig sind“.

Die Themen aus der Geschichte der Frauenkirche, sie wiederholen sich weltweit immer wieder, auch heute noch: Krieg, Zerstörung, Eintreten für den Frieden, Wiederaufbau nach sinnloser Zerstörung, das sind auch zentrale Themen des Jahres 2022. Mit Blick auf die Frauenkirche, die mich bei meinen Besuchen immer wieder beeindruckt, verstehe ich: auch solche Krisen können wir meistern. Wenn wir einig sind.

Pfarrer Steffen Palmer, Evangelische Kirchengemeinde Sontheim-Brenz-Bergenweiler

Sonntagsgedanke, 23.10.2022

Religiöse Ekstase?

Ich selbst war in meinem ganzen Leben noch nie betrunken, bekifft oder berauscht – das hat persönliche Gründe. Umso mehr faszinieren mich daher Berichte von Ekstase oder Rausch. Und besonders neugierig werde ich, wenn es dabei um religiöse Erlebnisse geht.

Die meisten Religionen sind schon immer auf der Suche nach Ekstase. Psychologen nennen das „außergewöhnliche Bewusstseins-Zustände“. Schamanen in Südamerika benutzen das psychedelische Ayahuasca, das ihnen Begegnungen mit „Geistern“ ermöglicht. Die „tanzenden Derwische“ sind Muslime, die sich im Kreis drehen, um in Trance Gott zu begegnen. Das Orakel von Delphi bestand aus einer Jungfrau, die Gase aus einer Erdspalte einatmen musste, um dann göttliche Weisungen zu geben.

Auch in der Bibel spricht Gott ständig durch solche Bewusstseins-Zustände zu den Menschen. Die Propheten sehen Visionen von himmlischen Thronsälen, die realer sind als ihr Alltag. Jesus selbst erlebte vermutlich bei seiner Taufe und am Berg der Verklärung Visionen. Die frühen Christen sehen Engel und erhalten Weisungen vom Heiligen Geist. Paulus berichtet, dass er „bis in den dritten Himmel entrückt“ wurde.

Bis heute sehnen sich Menschen nach solchen Gottes-Erlebnissen. Mystiker suchen diese eher in der Stille – sie meditieren und beten. Der psychoaktive Weihrauch wirkt dazu beruhigend. Viele Mystiker berichten von einer Erfahrung, als würde ihr „Ich“ sich auflösen und eins mit Gott werden. In Pfingstkirchen geht es häufiger um Visionen, Trance und Prophetie – Gott wird eher im Rausch von tosendem Gebet, Musik und Tanz gesucht.

Haben Sie schon einmal eine Ekstase erlebt? Ich bin mir sehr bewusst, dass viele solcher Erlebnisse von Neurologen gut erklärt werden können. Deshalb glaube ich, dass Gott unser Gehirn dafür ausgestattet hat, diese Erfahrungen zu machen. Denn durch Ekstasen erleben Menschen oft, dass ihr Leben Sinn und Bedeutung hat. Diese Erlebnisse weisen darauf hin, dass es etwas Heiliges gibt, das unser Dasein völlig übersteigt.

Johannes Huger, Pfarrer in der Evang. Versöhnungskirchengemeinde Heidenheim-Mittelrain

Sonntagsgedanke, 09.10.2022

„Ich glaube schon.“

Dieser Satz sagen manche Schülerinnen und Schüler zu mir. Wenn sie sich nicht sicher sind, lassen sie sich damit ein Hintertürchen offen. Der Satz begegnet auch sonst, wenn man sich mit Menschen unterhält. Sie drücken damit aus, dass es schon im Bereich des Vorstellbaren, des Möglichen wäre, aber sie es nicht ganz sicher wissen.

Das ist - knapp gesagt - der Glaube, den viele Menschen in ihrem Alltag haben. Damit ist eine theoretische Meinung oder Möglichkeit angedeutet und mit einem gewissen Unsicherheitsfaktor versehen. Obs am Ende hilft oder nicht, bleibt offen. Das „Aber“ bleibt immer irgendwie im Raum. Mit diesem Lebensgefühl haben wir uns gewöhnt zu leben. Im Moment kommt es immer besonders laut durch. Es ist unsere Strategie mit dem Unwägbaren der Zukunft umzugehen.

Wenn ich nun in meine Bibel schaue, geht es dort auch um die Lebensbewältigung von Menschen. Es geht um ihre Fragen und Themen, die Herausforderungen, die das Leben stellt. Der Glaube, der das Leben bewältigt, ist dort etwas anderes. Entgegen der landläufigen Vorstellung ist Glauben dort nicht etwas Sagenhaftes oder Unsicheres. Sondern es bezeichnet die Verbindung zwischen mir und meinem Gott, die Leben mit allen Unsicherheiten trägt. Es ist die Beziehung, die das Leben nach vorne erst lebbar macht. Mit Glauben ist ein Lebensprozess beschrieben, der sich immer wieder verändert und lebendig anpasst. Er ankert in der Tiefe Gottes. Hier geht es darum, wie wir mit Gott unser Leben bestehen können. Immer wieder wird dort ein „trotzdem“ laut. Ich bin gerade geliebt, gesehen und ernstgenommen, weil mein Leben ist, wie es ist.

Daher ist der Glaube auch etwas sehr Lebendiges. Es geht darum, worauf ich mich wirklich verlasse und was mein Leben trägt. Gott macht genau dieses Angebot. Er sagt mir: „Vertraue mir!“ Darauf lasse ich mich im Glauben ein. Deswegen heißt für mich Glaube: Lebe in vollen Zügen! Lebe in der Verbindung mit Gott! Er ist die Sicherheit, die mein Leben braucht. Er stellt mich gut für mein Leben auf. Ich bin in ihm verankert. Das brauche ich gerade angesichts der unsicheren Aussichten und der vielen offenen Fragen, die mein Leben hat.

Pfarrer Jürgen Bobzin
Kirchengemeinde Gerstetten